Wie bei Märklin das Spur-1-Treffen erfunden wurde

, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 0)

Zum 25. Mal trifft sich am kommenden Wochenende im Auto- & Technik-Museum Sinsheim die Spur-1-Gemeinde zum Höhepunkt des Jahres, dem Spur-1-Treffen. Einer der beiden Erfinder der Veranstaltung erzählt, wie es dazu gekommen ist – und wie sich das Treffen mit den Jahren verändert hat.

Nach 25 Jahren verblasst manche Erinnerung. Dass Märklin die treibende Kraft hinter dem Spur-1-Treffen war, wird nicht jedem Besucher bewusst sein. Ich habe einen der Initiatoren gefragt: Roland Gaugele, damals Produktmanager und Presse-Verantwortlicher bei Märklin. Heute ist er Geschäftsführer beim Auktionshaus Hohenstaufen.

Herr Gaugele, es ist schon lange her. Erinnern Sie sich noch an das erste Mal in Sinsheim?

Das war eine Initiative von Bernd Uhlemann und mir. Ich kenne Bernhard Uhlemann, der das Spur-1-Team Hagen gegründet hat, schon seit Jahrzehnten. Wir haben eines Tages, etwa Ende der 80er Jahre, beschlossen, auf meinem Grundstück ein Spur-1-Treffen zu machen. Ein großes Oval auf der Wiese zum Fahren, ein Feuer zum Grillen usw. Es wurden immer mehr Besucher.

Wie kamen Sie auf Sinsheim?

Wir saßen abends beim Wein und kamen auf die Idee, mal im Technikmuseum in Sinsheim ein Spur-1-Treffen zu machen. Ich kannte Herrn Huter, den Geschäftsführer und den Präsidenten Hermann Layher. Beide waren von der Idee sehr angetan. Ich war damals für das Produktmanagement und die Presse bei Märklin zuständig. Als Termin haben wir das letzte Juni-Wochenende 1990 ausgemacht. Und weil wir auch etwas bieten wollten, haben wir die Streckenführung der Geislinger Steige nachgebaut. In Spur 1, in der Länge maßstäblich, wurde die Strecke mit kräftiger Unterstützung von Märklin auf dem Parkplatz des Museums aufgebaut. Die Kehre der zweispurigen Strecke war auf dem Toilettenhäuschen.

Wieso auf dem Toilettenhäuschen? Das gibt es wohl nicht mehr.

Das Toilettenhäuschen hatte die richtige Höhe, um auf die maßstäbliche Steigung der Geislinger Steige zu kommen und genügend Dachfläche, um eine Wendeschleife aufzubauen. Das Häuschen steht schon lange nicht mehr.

Wie wurden die Medien auf die Veranstaltung aufmerksam?

Die Presse wurde im Rahmen der üblichen Pressearbeit von Märklin über das Ereignis informiert und das „Rahmenprogramm“ hat viele überzeugt. Die Geislinger Steige in 1 war schon spektakulär. Es kam sogar eine Sendung in 3SAT, und der Reporter hat sogar einen Hubschrauber für Luftaufnahmen gemietet.

War denn auch die Alb-Landschaft um die Geislinger Steige zu sehen?

Nein, nur die Streckenführung. Das wäre sonst für ein Wochenende auf dem abgesperrten Parkplatz zu viel Aufwand gewesen. Das Ganze war dann so erfolgreich, dass beschlossen wurde, das Treffen im nächsten Jahr wieder zu machen.

Das war ja noch eine reine Märklin-Veranstaltung.

Ja, aber im nächsten oder übernächsten Jahr haben wir auch andere Anbieter der Spur 1 eingeladen. Vor allem Vereine. Im Märklin-Magazin kam natürlich auch ein Bericht. Auch die Fernsehberichte waren toll und haben das Treffen immer populärer gemacht.

Ich habe damals in Modellbahnzeitschriften oder Zeitungen gelesen, dass Sie auch Rennen auf Spur-1-Gleis gefahren haben.

Bernhard Uhlemann und ich hatten die Idee, einen Highspeed-Wettbewerb zu machen und die schnellste Lok zu küren. Am Anfang war das nur eine elektrische ohne irgendwelche Restriktionen. Damals kam keiner auf die Idee, zum Beispiel Riesen-Batterien einzubauen. Es ist einfach mit Strom aus der Schiene gefahren worden. Mit der Zeit sind aber richtige Rennställe entstanden, weil wir auch andere Firmen aus Baden-Württemberg eingeladen haben. Porsche war immer dabei und der Diesellokgetriebebauer Voith aus Heidenheim. Nach dem zweiten, dritten Mal ist Faulhaber eingestiegen.

Der Elektromotorenbauer?

Ja, da hat sogar die Entwicklungsabteilung mitgemacht, was nicht so ganz fair war gegenüber den anderen Teilnehmern. Aber wir hatten am Anfang ja keine Restriktionen. WMF Geislingen hat mitgemacht, Allgaier Uhingen und auch Privatleute. Da haben sich bei den Lehrlingen richtige Rennställe entwickelt. Die kamen dann mit einer ganzen Werkstatt, das war eine fantastische Atmosphäre. Am Anfang lag der Rekord so bei etwa 36 km/h.

Wie lang war die Rennstrecke?

Die Strecke war 50 Meter. Bei 25 Meter hat die Ordnungsbehörde von Sinsheim dann geblitzt. Es gab natürlich kein Strafmandat, aber eine Urkunde. Beim ersten Highspeed-Wettbewerb hat die Lehrwerkstatt von Märklin gewonnen. Das ging durch die gesamte Presse. Das war in der WELT, in vielen Tageszeitungen bundesweit, ein toller Erfolg. Immer mehr kamen dazu. 1998 lag der Rekord bereits bei 97,48 km/h, erreicht von der Firma Faulhaber. Am Schluss 2001 waren es über 100 km/h, die da erreicht wurden.

Wie bremst man denn dann ab auf so einer kurzen Strecke?

Man musste ja nach 25 Metern die Lok wieder zum Halten bringen. Je höher die Geschwindigkeit, umso schwieriger war das zu machen. Von Hand ließ sich das kaum noch regeln. Bis die Lok reagiert hat, waren die 25 Meter vorbei. Am Ende der Strecke stand dann ein Riesenkasten, der innen mit Schaumstoff gepolstert war. Wir hatten Gitter aufgestellt, damit niemand zu dicht an die Strecke konnte, weil das bei dem Tempo schon gefährlich war. Das war gut so, denn einmal hat eine Maschine nicht gebremst, ist immer schneller geworden und in den Kasten hineingerast. Der Kasten ist regelrecht explodiert und durch das Gitter durchgeflogen. Dort stand ein Lehrling, der aber zum Glück nicht so hart getroffen wurde. Einen Bluterguss hat er aber trotzdem bekommen. Das war schon eine brenzlige Situation.

Gab es denn auch Fahrzeuge mit Raketenantrieb wie beim Vorbild?

Raketenantriebe waren ausdrücklich verboten. Dann kam aber trotzdem einer damit an. Der damalige Marketingleiter von Märklin meinte, wir probieren es trotzdem mal aus. Vorsichtshalber wurden die Zuschauer etwas von der Strecke entfernt und hinten alles abgesperrt, falls das Ding darüber hinausschießt. Dann wurde gezündet. Dann löst sich so ein Projektil und rast in die Zuschauer hinein. Ein Kollege aus dem Produktmanagement wurde am Kopf getroffen. Es hat sich als nicht so tragisch herausgestellt, aber es blutete und der Mann musste ins Krankenhaus. Er kam dann mit einem riesigen Kopfverband wieder. Ich konnte noch erreichen, dass das Fernsehen auf diese Bilder keinen Wert legte, es hat schlimm ausgesehen. Mit der Reglementierung wurden wir dann wesentlich strenger.

Und wann hat sich Märklin dann aus Sinsheim zurückgezogen?

Das war, als Geschäftsführer Topp das Märklin-Modellbahn-Treffen in Göppingen eingeführt hat, so etwa 2001, wenn ich mich recht erinnere. Da sollte dann auch das Spur-1-Treffen stattfinden. Das wäre überhaupt nicht nötig gewesen. Sinsheim war gut eingeführt. Damals kam immer eine fünfstellige Anzahl von Besuchern, und auch ein Markführer kann nicht einfach sagen, wir machen es nicht mehr dort sondern in Göppingen.

In Sinsheim ging es dann ohne die Führung von Märklin weiter.

Ja, das Auto- und Technikmuseum sagte, das Spur-1-Treffen geben wir nicht auf. Aber Märklin ist dort ja bis heute als Aussteller vertreten.

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