Weihnachtsgeschichten (5)

, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 0)

tl_files/bilder/Vorbild/Gefahrenzeichen.jpgAus Österreich kommt eine rührende Geschichte von Franzi. Und weil in Österreich die Sehnsüchte oft ähnlich sind, die Sprache aber anders ist, heißt es auch der Bahnschranken und nicht die Bahnschranke.

Franzi und der Bahnschranken

Zu Beginn der 60er Jahre war ich oft und gerne zu Besuch bei meiner Großmutter Waltraud. Sie war eine liebe kleine Frau. Sie verwöhnte mich als einen ihrer Enkel, dass es eine Wonne war. Nicht nur, dass es bei ihr stets eine gute Jause gab mit Kakao und Kuchen – nein, sie machte mit mir auch gerne Ausflüge in der Gegend, wo sie ihr Häuschen hatte.

Sie hatte ein tolles Häuschen, für mich der absolute Glücksfall, denn der kleine Balkon an der Ostseite ihres Hauses gab einen fast freien Blick auf die in der Nachbarschaft gelegene Bahnlinie. Unweit vom "Omahäuschen" war auch ein Bahnschranken. Seine quietschenden Geräusche beim Herablassen seines Baumes waren für mich jedesmal das Zeichen "raus auf den Balkon" um zu sehen, was für ein Zug jetzt gleich vorbeirauschen würde.

Da die Bahnlinie eine Hauptstrecke war, sah ich an einem Nachmittag, wenn ich bei ihr war, alle Arten von Züge, Schnell-, Fern-, Regional- und natürlich auch Güterzüge. Spannend war es, wenn selten genug ein Bauzug vorbei fuhr, das sah für mich als Siebenjährigen etwas komisch aus. War doch der Anstrich des Zuges ganz anders, als man es sonst gewohnt war. Und er fuhr ganz langsam und blieb immer wieder stehen... Männer kletterten auch auf dem Zug herum!

Meine Oma fand es immer sehr amüsant, wenn ich kleiner Stoppel jedesmal ungeduldig auf den Balkon stürmte, wenn ich das Geräusch vom Schranken hörte. Sie sagte öfters zu meiner Mutter, wenn die mich abholte: „Der Franzi wird ganz bestimmt einmal ein Eisenbahner.“

Meine Mutter entgegnete der Oma: „Nein, um Himmels willen, nur ja kein Eisenbahner, Franzi soll was Ordentliches werden, es soll ihm ja mal besser gehen!“

Nun gut, ich wurde wirklich kein Eisenbahner, doch meine Liebe zur Eisenbahn ist bis heute aufrecht. Ich steuere Modelle in 1:32 und hab dadurch die Möglichkeit, mich ein bisschen der Romantik hinzugeben, die ich seinerzeit als kleiner Bub erlebte.

Doch der Weg zu 1:32 ging auch bei mir über den klassischen Umweg von 1:87.

Restlos fasziniert war ich von Schnellzügen und Triebzügen aller Art. Die Geschwindigkeit und ihr surrendes Abrollgeräusch, wenn die über die Gleise flitzten, übten eine magische Anziehungskraft auf mich aus. Meiner Oma blieb das natürlich nicht verborgen und sie lächelte auch immer vergnügt, wenn wir bei unseren Ausflügen beim örtlichen Spielwarengeschäft vorbeikamen und ich mir die Nase plattdrückte ob der wunderbaren Teile, die man da kaufen konnte.

Für mich waren das alles Dinge von einem anderen Stern – einfach unerreichbar. So hochwertiges Spielzeug besaß ich bis dahin noch nicht. Mein damaliges spezielles Interesse erweckte eine quadratische hellblaue Schachtel mit einem rot-beigen dreiteiligen Zug darin. Es war die legendäre TEE-Zugpackung 3071 einer weltberühmten Spielzeugeisenbahn-Fabrik.

Ich schwärmte immer davon, wie herrlich es sein musste, in so einem Zug zu reisen... oder das Modell sein Eigen nennen zu dürfen. Im darauf folgenden Herbst und beginnenden Winter habe ich immer wieder an diese Zugpackung gedacht, aber auf keinen Fall, dass diese bei mir vielleicht unterm Christbaum zu finden sein wird.

Und ja, das Unmögliche passierte, ich bekam meine erste elektrische Spielzeugeisenbahn. Es war die quadratische Schachtel mit dem 3teiligen Schnellzug drin. Ich kann es noch beschreiben, als ob es gestern gewesen wäre. Ein wohliger Schauer überkam mich und ich war so perplex, diesen Zug bekommen zu haben. Ich war restlos gerührt vor Freude.

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Einen kleinen Haken hatte die ganze Angelegenheit schon: Ich hatte bis dato ja auch keine Schienen, keinen Trafo. Nichts, was mich dazu bemächtigte, eine elektrische Spielzeugeisenbahn zu bewegen.

Ich wurde von meinem Vater dahingehend getröstet, dass ich ja noch die nächsten Ostern meinen Geburtstag oder schlimmsten Fall die nächsten Weihnachten hätte, und wenn das Christkind im kommenden Jahr vorbeikommt, dann könnte da vielleicht eine Startpackung dabei sein...

Es war ein langes Warten! Mindestens einmal die Woche nahm ich die Packung her, öffnete sie sanft – nur ja keine Fettflecken oder Knitterspuren hinterlassen!

Ich hatte in meinem Zimmer einen Tisch, auf diesem schob ich ein ganzes Jahr, wenn es mir danach war, diesen Zug hin und her, ich war richtig verliebt in den. „Was für ein Schnellzug!“ habe ich mir immer und immer wieder gedacht.

Ein Jahr später bekam ich die ersehnte Startpackung. Endlich konnte es losgehen, ich weiß noch, wie unwillig ich an diesem Abend zu Bett ging, denn immer und immer wieder zog der TEE seine Runden...

Übrigens, diese Zugpackung ist noch immer im betriebsbereiten Zustand und in meinem Besitz. Nach all den Jahrzehnten fährt der noch immer und die Verpackung ist "mint" (wie neu), wie man heute so schön sagt.

Der Rest meiner aktuellen Eisenbahnmodelle hat, wie schon geschrieben, hat den Maßstab 1:32. Aber wie es dazu kam, das ist eine andere Geschichte...

Frohe Weihnachten!

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