Was spricht für Spur 1?

, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 3)

Wer vom Eisenbahnvirus infiziert ist und der seit 1967 wieder aufgefrischten Spur 1 verfallen ist, weiß den Maßstab 1:32 zu schätzen und wird ihm treu geblieben sein. Doch welche Argumente können heute für jemand gelten, der zu den großen Spuren aufsteigen will? Ich versuche einmal, die vielen Aspekte, die für die Spur 1 sprechen, in handliche Blöcke zu packen.

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Was fasziniert so an Spur 1?

Größe, Masse, Material

Wie keine andere industriell hergestellte Modelleisenbahn bietet Spur 1 Größe und Masse – sieht man einmal von noch etwas größeren Gartenbahnmodellen ab. 1:32-Modelle haben die zwanzigfache Masse von H0-Modellen. Die aus Metall gefertigten Modelle sind schwer und vermitteln dadurch eine hohe Wertigkeit. Beim Fahren erzeugen sie Rollgeräusche, die so nah am Vorbild sind wie bei keinem anderen Eisenbahnmodell. Umso mehr erzeugen sie in der Fantasie des Betrachters das Gefühl, eine echte Eisenbahn vor sich zu haben.

 

Eisenbahnmodelle statt Modellbahn

Modelleisenbahnen haben immer einen Spielzeugcharakter, weil es durch die Verkleinerung und Komprimierung nicht möglich ist, die enorme Masse, die Geräusche und die Detaillierung des Vorbilds realitätsnah zu simulieren. Überdimensionierte Schienen und Details stören, winzige Lautsprecher können aus physikalischen Gründen nur krächzende, hochfrequente Betriebsgeräusche erzeugen, denen die Überzeugungskraft fehlt. Der Sprung zwischen der Wahrnehmung winziger Modelle und der Erinnerung an die echte Eisenbahn ist zu weit, um die Sinne zu täuschen. Die Fantasie hat es schwer, die kleinen Modelle, ihre Bewegungen und Geräusche als real im Sinne der gespeicherten Eindrücke ihrer Vorbilder wahrzunehmen.

Spur-1-Modelle sind keine Modelleisenbahn, sondern 32 Mal verkleinerte Eisenbahnmodelle. Sie bilden die Vorbilder nahezu kompromisslos nach: in originalgetreuer Materialstärke, durch die Wiedergabe feinster Details. Dazu kommen laute, voluminöse Geräusche, die nah genug am Originalgeräusch sind. Und ein bewegungssynchroner Dampfimitations-Ausstoß, der so nah am Vorbild ist wie bei keinem anderen Eisenbahnmodell.

Das alles erzeugt Faszination und die gewünschte Sinnestäuschung (fälschlich auch Illusion genannt), es mit der richtigen Eisenbahn zu tun zu haben. Das Original ersteht in der Fantasie des Betrachters wieder. Und genau das wünschen wir uns und unseren Gästen ja, weil das Original nicht ins Haus oder den Garten passt oder längst verschrottet wurde.

 

Originalgetreue Detaillierung

Originalgetreue Materialen wie Messing, Stahl, andere Metalle und Holz sind zwar teilweise der Kleinserienproduktion geschuldet (es gibt ja auch größere Serien aus Kunststoff), sie erzeugen aber durch ihre Oberflächen- und Anfassqualität eine hohe Wertigkeit und Vorbildnähe. Gleise können mit der natürlichen individuellen Oberfläche der Holzschwellen und feinsten Schienenstühlchen aus Metall nachgebildet werden, mit originalgetreuen Schienenprofilen und exzessiv detailgenau nachgebildeten Weichenstraßen.

Die extreme Detaillierung, die durch den großen Maßstab möglich wird, bildet das Original auch funktional fast kompromisslos nach: nicht nur feinste Schmierleitungen und Nieten, sondern auch die Mechanik der Umsteuerung bei einer Dampflok, Federungen und Originalkupplungen. Wer will und gewisse betriebliche Einschränkungen durch große Bögen und präzise verlegte Gleise akzeptiert, kann sogar originalgetreue Räder verwenden. Ein weiterer Qualitätsaspekt sind die kugelgelagerten Radsätze, die gerade bei Wagen Vorbildnähe schaffen: Ungesichert rollen sie davon. Das ist eine Miniatur der echten Eisenbahn, keine Modelleisenbahn. Gut, wenn dann auch ein paar Hemmschuhe bereitliegen.

 

Sichtbarkeit

Die Spur 1 bietet durch ihre Größe und Detaillierung mehr als andere Eisenbahnmodelle. Hier sieht man im Detail, wie sich ein Dampflokgestänge bewegt und die Radsätze an Schienenstößen und Weichenherzstücken einfedern. Die Masse der Fahrzeuge, aber auch die meist notwendige Platzbeschränkung, zwingen zum langsamen Fahren und erhöhen den Genuss der sensiblen Wahrnehmung von Technik und Mechanik. Hier sausen keine wild gewordenen Plastikzüglein mit uhrwerksfeiner, nur unter der Lupe sichtbarer Mechanik über viel zu dicke Schienenprofile und zu kurze Weichen.

 

Bewegung

Bewegungen der echten Eisenbahn können im Spur-1-Maßstab detailgenau nachgeahmt werden und wirken dadurch real: Nicht nur die Steuerung der Dampflok bewegt sich in einer als richtig empfundenen Geschwindigkeit. Motoren bewegen Weichenzungen vorbildlich langsam, Signalflügel können nachwippen wie das Original, Stromabnehmer werden ein- und ausgefahren. Bahnschranken, Wasserkräne und Türen lassen sich vorbildnah langsam antreiben und bewegen. Wenn's sein muss, sogar der schwere Dampfkran.

Die Größe von Spur 1 reicht darüber hinaus aus, um realitätsnahe Dampfeffekte zu erzeugen. Vom lastabhängigen, radsynchronen Auspuffschlag der Dampflok bis zur Dampfpfeife, Zylinderdampf und die Qualmwolke beim Starten des Dieselmotors. Nur schwarzer Qualm mit Feinstaub geht technisch mit der Verschwelung von Paraffinöl-Mischungen nicht.

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Geräusche und Digitaltechnik

Schon ohne Digitalsteuerung gab es Klanggeneratoren, die synthetisch Betriebsgeräusche simulierten. Die Digitaltechnik und leistungsfähige Speicherbausteine bei wachsender Miniaturisierung der elektronischen Bausteine macht komplexe und simultane Betriebsgeräusche möglich, die das Gefühl, vor einer echten Lok zu stehen, stärken. Anlassergeräusche, Turbogenerator, zufallsgesteuerte Pumpengeräusche, lastabhängige Fahrgeräusche, das Klacken der Fahrstufen in alten Elloks, das Singen neuer Züge beim Anfahren, Schaffnerpfiff, Türenschlagen, Ansagen und mehr erwecken das Modell und die Fantasie zum Leben.

Zwar haben wir bei der Soundsteuerung kaum mehr als den Schritt von der Steinzeit in die Broncezeit geschafft. Doch neue Sounddekoder speichern mehr, leistungsfähigere Prozessoren können noch mehr Geräusche gleichzeitig abspielen und steuern jetzt zwei Lautsprecher an, damit der Auspuffschlag nicht nur aus dem Tender kommt. Dort erzeugen relativ große Lautsprecher immerhin eine Klangqualität und ein Klangvolumen, das in kleineren Modellen physikalisch unmöglich ist.

Digitalsteuerungen nutzen die Möglichkeiten und Funktionen modernen Klangbausteine aus und erzeugen durch die zusätzlich mögliche Massesimulation und individuelle Steuerungen ein Fahrverhalten, das sehr nah am Vorbild ist. Dass die Hersteller von DCC-Steuerungen kaum über die Informationstechnikstandards und Mensch-Maschine-Schnittstellen der 90er Jahre hinausgekommen sind, ist bedauerlich. Die Bedienbarkeit lässt zu wünschen übrig, der Einstieg ist schwer. (DCC ist in Bezug auf die Bedienbarkeit kaum weiter als ein Windows-3.1-PC, verglichen mit einem iPhone oder OSX-Rechner.) Aber das betrifft alle, die Modelleisenbahnen oder Eisenbahnmodelle digital steuern wollen.

 

Echtdampf

Die Größe von Spur 1 macht Echtdampfmodelle möglich. Wer tropfendes Öl und Wasser nicht scheut, kann damit sogar drin fahren. Nur Echtdampfmodelle bieten den Geruch von heißem Öl und zischenden Dampf mit echtem Dampfausstoß. Das geringe Dampfvolumen reicht aber nicht für einen kräftigen Auspuffschlag. Die Physik lässt sich nicht überlisten. Es ist aber ein großer Spaß und fordert Erfahrung, Geduld und Können, eine Echtdampflok zu fahren. Echtdampf macht die Mechanik und Funktion einer Dampflok buchstäblich erfahrbar. Man darf einen gewissen Wartungsaufwand und die Bereitschaft zur Fehlersuche und Reparatur aber nicht unterschätzen.

Echtdampf kann ein Hobby im Hobby sein – oder eine Leidenschaft für sich, mit der reduzierten Detaillierung, die Echtdampfmodelle fast zwangsläufig mit sich bringen müssen. Vorbildnähe entsteht hier durch Dampf, Öl und Hitze und das Fahren im Garten.

 

Wertbeständigkeit

Spur-1-Modelle werden in geringen Stückzahlen gefertigt. Ein, sieben, 20 und 50 Exemplare sind Zahlen für exklusive Modelle, oft mit bis zu fünfstelligen Euro-Preisen. So wertvoll wie eine handgefertigte Schweizer Uhr. 200 bis maximal 1500 Modelle sind typische Werte für Kleinserienmodelle aus Metall. Doch auch „Groß“-Serienmodelle von Märklin erreichen heutzutage kaum mehr 2000 Stück. Früher waren es auch mal 5000 Exemplare. Weil die meisten Spur-1-Modelle nur ein einziges Mal aufgelegt werden, gibt es einen Sammlermarkt. Weil weniger produziert wird, als langfristig verkauft werden könnte, sind spätere Einsteiger gezwungen, sich ältere Modelle bei Sammlern, Händlern und anderen Eigentümern zu besorgen. Die auch aus Produktions- und Kapitalgründen „künstliche Verknappung“ sorgt für geringe Wertverluste bei benutzten Modellen und Werthaltigkeit oder sogar Wertsteigerung bei unbenutzten oder in sehr geringer Stückzahl hergestellten Modellen. Nur bei Großserienmodellen, die in mangelhafter Qualität oder am Markt vorbei produziert werden, sinkt der Wert drastisch. Oft auch schon kurz nach dem Verkaufsstart der viel zu hoch angesetzte Verkaufspreis.

 

Zusammenfassung

Eisenbahnmodelle für die Spur 1 (45 mm) schaffen wie keine anderen Abbilder der echten Eisenbahn eine sinnliche Wahrnehmung, die dem Original nahekommt. Durch ihre Exklusivität eignen sie sich auch als Wertanlage oder ein Stück originalgetreu miniaturisierte Technik, die man sich gern anschaut. Man muss die Modelle nicht fahren. Denn viele genießen ihre besondere Ausstrahlung nur in der Vitrine. Erlaubt ist, was gefällt.

Weitere Betrachtungen zur Spur 1 in Kürze. Denn es gibt noch etliche Argumente mehr.

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Kommentar von R. König |

Sie haben viele Dinge auf den Punkt gebracht, danke dafür. Ich habe vor zwei Jahren meine H0-Bahn verkauft und lange überlegt ob ich mich für 0 oder 1 entscheiden soll. Es ist die 1 geworden. Da hat man auch was in der Hand. Ein Metallmodell ist was ganz anderes als so ein Plastikteil. Dafür lege ich gern ein paar Hunderter mehr auf den Ladentisch. Der Gegenwert ist einfach sichtbar und fühlbar höher.

Kommentar von H.Göhr |

Lokomotiven sowie Wagen sind nur die eine Seite der Medaille.Für nur Fahrzeugsammler ein zu vernachlässigtes Thema ist für den Dioramen- und Anlagenbauer ein absolutes Muß, die Frage des Zubehörs. Häuser, Automodelle und andere Kleinteile sind da in guter Ausführung gefragt. Gerade auf dem Sektor der Automodelle ist in der letzten Zeit viel Bewegung zu beobachten. Die Qualitätsstandarts werden immer besser.( Weise Toys, UH,usw.)
Ich vertrete auch den Standpunkt, das ein gutes und reichhaltiges Zubehörprogramm über den Erfolg oder Niedergang einer Baugröße mitbestimmend ist.

Kommentar von Friedhelm Weidelich |

Ein bisschen tut sich was bei Autos, zumal man auf Dioramen und Segmenten nur wenige Fahrzeuge braucht. Größerer Nachholbedarf besteht m. E. bei Figuren, denn viele Figuren wirken mangels richtiger Gesichter ziemlich leblos und sind motivlich oft abgedroschen oder überdreht. Amerikanische Figuren in 1:20 bieten richtige Charakterköpfe, Frisuren und feine Details. Ein wenig kann man sich mit den oft originellen Zivil-Figuren aus dem Militärsegment in 1:35 behelfen. Dann sind es eben kleine Menschen.