Rezension: "Gleisbau" von Udo Kandler

, von Friedhelm Weidelich

Umschlag Udo Kandler: Gleisbau, Buch im EK-Verlag"Mehr Licht ins Dunkel bringen" möchte Udo Kandler in seinem neuen Buch "Gleisbau", das den Untertitel "Mit Spitzhacke und Schnellumbauzug" trägt. Der Autor hat sich ein bisschen viel vorgenommen...

Gleise und Gleisbau gehören zu den Gebieten, die bei Eisenbahnfreunden gewöhnlich wenig Interesse wecken. Es ist zwar die Grundlage des Eisenbahnsystems, aber für viele kein Thema, weil nur das zählt, was darauf fährt. Wer bei H0 und Spur 1 nicht zu den wenigen Feingeistern zählt, die Gleise selbst bauen oder Bausätze montieren, lebt mit den Angeboten der Industrie, die halbwegs wie Gleise aussehen, auch wenn sie dem Vorbild nur ähneln und wichtige Details vermissen lassen. Zum Beispiel die leicht nach innen geneigten Schienen, sieht man vom Hosenträger- und S49-Gleis in 1:32 einmal ab.

Das Gleis ist das Aschenputtel der Eisenbahnfans.

Zu unrecht: Gleise sind buchstäblich eine Wissenschaft für sich. Umso wichtiger wäre Literatur, die sich nicht nur aus Modellbahnersicht und und H0-Gleisgeometrien dem Thema nähern würde.

Udo Kandler versucht das in seinem Gleisbau-Buch, fängt 1835 an, kommt dann per Zwischenüberschrift auf die "Gleisbauweise ohne Zukunft" und beschreibt den Siegeszug der Holzschwelle. Man erfährt zwar die genaue Prozentzahl der 1880 verlegten Holzarten. Doch die Maße und Abstände der heute noch gebräuchlichen Schwellen findet man nicht. Stattdessen folgt ein Auszug eines Artikels über den Pionier der Holzimprägnierung. Ohne Vorwarnung und Einleitung beginnt das Buch bei einem altbackenen Zeitschriftenbeitrag von 1937 über Rottenführer.

Wo man zumindest eine Schnittzeichnung durch den Oberbau und Fotos von Stahl- und Betonschwellen erwarten würde, sieht man Männer mit Spitzhacke – und eine Zeichnung der Spitzhacke. Dann taucht, in der häufig etwas umständlichen und leicht angestaubten Sprache der zitierten Aufsätze, das "Stählerne Schienenband" auf, um rasch ein paar Fachbegriffe und (ehemalige) Schienenhersteller aufzuzählen. Dass die 49 in S49 das Metergewicht bedeutet, lernt man leider nicht. Auch über Rippenplatten und Hakenschrauben sowie moderne Umbauzüge erfährt der Leser so gut wie nichts.

tl_files/bilder/Medien/PE023911.jpgNach vielen, wirklich sehr interessanten Fotos vom Gleisbau taucht die Feste Fahrbahn auf, die mit Mühe unter den Baufahrzeugen zu erkennen ist. Dass sie den Sinn hat, Schotterflug bei hohen Geschwindigkeiten zu verwenden, wird nicht thematisiert. Das Thema Weichen und der DB-eigene Weichenbau werden komplett ausgespart.

Informativer sind zwei Seiten über das Thermitschweißen, bevor wieder einmal wortreich die heroische Arbeit des Sicherungspostens als Auszug einer Zeitschrift von 1962 beschrieben wird. Neun Seiten sind dem Inneren und der Küche eines Bauzugs gewidmet. Die Fotos sind schön gestellte Werbefotos, die man sicher selten sieht. Helden auf Schienen auch hier. Das hätte man sich aber für "Bauzüge im Wandel der Zeiten" sparen können. Ein Buch, das zweifellos noch geschrieben werden muss.

tl_files/bilder/Medien/PE024017.jpgDer mechanisierte Gleisbau schließt sich an ein Kapitel über den Gleisbau der DDR an, das lesenswert, aber in der Reihenfolge nicht passt. Sehr interessante und seltene Fotos von Gleisbaumaschinen ergänzen das Kapitel, das mit Fachbegriffen wie "Flachbaggergerät" für eine Planierraupe zu beeindrucken sucht.

Plasser & Theurer wird als "Marktführer" vorgestellt, samt einem zwölfseitigen Umbauzug-Prospekt. In dem Sammelsurium aus (seltenen, hochwertigen und meist gut beschriebenen) Fotos findet man auch Bilder von Schienenschleif- und Unkrautbekämpfungszügen. Am Ende folgt ein knappes Kapitel zu Gleismesszügen. Moderne Umbau- und Schienenschleifzüge werden nicht gezeigt, sieht man von einem Spezialzug für Y-Schwellen ab.

Der Autor hat sich zu viel vorgenommen und behandelt wesentliche Themen zu knapp oder gar nicht. Dem Buch fehlt leider der rote Faden, es springt thematisch zwischen Gleisbau, Gleisinstandhaltung und Eisenbahnern hin und her und ist inhaltlich irgendwo in den 80er-Jahren stehen geblieben. Highspeed Grindung von Vossloh kommt ebenso wenig vor wie deren Spannklemmen, die heute alltäglich sind.

Die langen Artikel über Rottenführer und Sicherungsposten hätte man sich sparen und stattdessen mehr Grundlegendes zum Aufbau von Oberbau, Schwellen und Schienen vermitteln können – mit Zeichnungen und Fotos. Dass es von diesem Spezialgebiet reichlich Fotos gibt, belegt das 128 Seiten starke Buch zu 35 € aus dem EK-Verlag.

Für wen lohnt sich der Kauf: Vielleicht für Spur-1-Bahner, die Gleise selbst bauen. Für Modellbahner, die ausgefallene Motive und Bahndienstfahrzeuge aus den Epochen II und III suchen. Für Eisenbahnfreunde, die schon viel über Gleise und Gleisbau wissen und anhand der Fotos ihr eisenbahnhistorisches Wissen vertiefen möchten. Als Einführung in den Gleisbau ist das Buch eher nicht geeignet, weil zu viele Fragen offen bleiben.

EK-Verlag

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