Neue Güterwagen von Officina Uno
, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 2)
Hinter deutsche Loks gehören deutsche Güterzüge – könnte man meinen. Denn entsprechend einseitig und langweilig ist das Angebot der deutschen Importeure und Modellbahnhersteller.
Vielleicht liegt es ja daran, dass viele der Geschäftsführer noch nicht geboren waren, als in der Epoche III internationale Güterzüge hinter Dampf- und Dieselloks quer durch Europa rollten. Wer den Eisenbahnbetrieb der Epochen III und IV nur aus Büchern kennt, hat offensichtlich keine Vorstellung, wie vielfältig und abwechslungsreich früher die Güterzüge waren und was am Markt noch alles fehlt. Denn die Deutsche Bundesbahn beförderte nicht nur DB- und Privatwagen.
Aus dieser mangelnden Kenntnis heraus gehören selbst SBB-Wagen zu den Exoten im Spur-1-Geschäft. Selbst ÖBB-Wagen sind Raritäten, trotz vorübergehend gemeinsamer Reichsbahn-Geschichte. Auch bei Märklin, einer seit 150 Jahren exportstarken Modellbahnfirma, kam man bei den Spur-1-Güterwagen über wenige SBB-Waggons nicht hinaus.
Ende der 60er-Jahre sah ich Wagen aus Belgien, Frankreich, Ungarn, der DDR, Österreich, Polen, der Schweiz und Italien. Interfrigo-Kühlwagen aus der Schweiz (siehe mein Foto von 1969) und die italienischen Spitzdachwagen mischten sich in die Züge zwischen die unzähligen O-Wagen-Bauarten aus aller Herren Länder. Wer genauer hinsah, entdeckte ungebremste Wagen mit Speichenrädern und die schmalen Fährbootwagen für den Verkehr mit Großbritannien.
Warum ich das schreibe? Um zu zeigen, wie die etablierten Spur-1-Firmen systematisch Marktchancen verschlafen. Denn viele Holländer, Dänen, Belgier, Franzosen, Österreicher, Tschechen, Polen und Italiener würden sich freuen, wenn sie Wagen ihres Heimatlandes besitzen könnten. Zumal es Wagentypen gab, die mit neuer Beschriftung und einem anderen Braunton leicht einer ausländischen Bahn zugeordnet werden könnte. Dazu bräuchte man zwar andere Informanten als die bekannten deutschen Spezialisten, könnte aber die Stückkosten reduzieren und neue Kunden gewinnen. Als Däne oder Niederländer hätte ich jedenfalls keine Lust, DB-Züge zu betreiben, weil in 1:32 einfach nichts Heimatliches zu kriegen ist.
Kunden wie ich, welche sich die Epochen III und IV nicht second-hand zusammenfantasieren müssen, sondern den Betrieb selbst erlebt haben, würden sich über etwas Abwechslung im DB-Einerlei auf jeden Fall freuen.
Zu den wenigen Güterwagen-Herstellern in Europa, die hochwertige eigene Modelle entwickeln und E-Mails beantworten, gehört Filippo Torelli von Officina Uno. Er hat moderne Güterwagen entwickelt und für eine Serie origineller Spitzdachwagen (tipo F) gesorgt, die man auf vielen Anlagen und Modultreffen sieht.
Kunden in Belgien und Holland haben Torelli auf die Idee gebracht, einen Fährbootwagen zu entwickeln. Da die Briten ein schmäleres und niedrigeres Lichtraumprofil haben, bauten auch die Italiener passende Kühlwagen, um Gemüse, Obst und andere Lebensmittel quer durch Europa zu fahren und dann mit Eisenbahnfähren nach England bringen zu können.
Der HGBP von 1931 verfügte darüber hinaus über zwei Bremssysteme, denn in Großbritannien wurde lange Zeit mit Vakuumbremsen gefahren. Typisch war auch die seitlich angebrachte Handbremse mit dem großen Bremshebel. Die Wagen waren bis in die 70er Jahre im Einsatz und bekamen teilweise sogar UIC-Beschriftungen. Sie sind also in den Epochen II, III und IV einsetzbar. Die Fährbootwagen-Modelle von Officina Uno werden hochdetailliert sein, mit Messingrahmen und Echtholzwänden.
Jüngere Spur-1-Bahner wollen Güterwagen aus jüngerer Zeit. Denn mehr noch als vor 40 Jahren ist der europäische Güterverkehr international verflochten und der Wagenpark nur noch teilweise den Nachfolgern der Staatsbahnen zuzuordnen. Leasinggeber und weltweit tägige Unternehmen wie die amerikanische GATX bestimmen zunehmend das Erscheinungsbild moderner Güterzüge.
Passend dazu wird Officina Uno 2014 einen modernen Getreidesilowagen neu auflegen, den Typ Uas/Uagpps. Nun wird der französische Wagen ganz aus Messing gefertigt, mit Federpuffern, gefederten Drehgestellen und Geländern aus Draht statt aus Ätzblechen. Jeder Wagen bekommt eine individuelle Nummer, so dass jeder Kunde ein Einzelstück erwirbt. Auch Finescale- und 1pur-Radsätze sowie Patinierungen werden angeboten.
Produziert werden die Wagen 2014, wenn es genügend Vorbestellungen gibt. Der Grundpreis beträgt 1.750,00 € (inkl. der italienischen Mehrwertsteuer von 22 %). Eine gute Chance für die Freude des modernen Güterverkehrs, ihre Züge mit einem hochwertigen Modell zu erweitern, das europaweit zu sehen ist.
Und ein Zeichen mehr, dass die Innovationen im Spur-1-Markt künftig von mutigen, fantasievollen und gut informierten kleinen Herstellern kommen.
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Kommentar von Günter Schmalenbach |
Im Prinzip ein hochinteressanter Beitrag !
Es wäre wünschenswert wenn das bunte Bild unserer Züge durch solche Modelle aufgewertet wird .
Wir sind früh in dieser Epoche III und IV sowieso aufgewachsen .
Das geistige Auge verliert diese Eindrücke nicht . Wohl dem der damals eine gute Kamera etc. besessen hat und diese bunten Garnituren für die Nachwelt erhalten konnte .
Zusammenfantasieren darf doch ein Jeder nach Seinem Geschmack .
Ohne Nachwuchs mit dem entsprechenden Begeisterungsvermögen geht die
Spur 1 in absehbarer Zeit dahin .
Der HGBP von 1931 wäre genau das richtige Modell für uns Epoche II Fantasten ! Man müsste mal wissen was der kosten soll als I-Tüpfelchen.
Ansonsten können wir in der Epoche II DRG durchaus guten und abwechslungsreichen Betrieb machen.
Beste Grüße
Günter Schmalenbach
Kommentar von Cor de Jong |
Interesting topic.
As a Epoche II modeller I am certain interested in the HGBP. I like the style of the Italian freight wagons and this wagon will fit in the period I am modelling.
Cor de Jong