Moderne Eisenbahnen sind langweilig?
, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 1)
Von rund bis eckig ist auf der Eisenbahn-Weltmesse Innotrans alles vertreten: Ein Regionalzug von Alstom für Schweden, die Universallok Vectron von Siemens und hinten ein kantiger Hochgeschwindigkeitsschienenschleifzug von Vossloh.
Der Vectron, den zu fahren ich schon einmal das Vergnügen hatte, ist zurückhaltend und fast schon zeitlos designt. Sehr schön finde ich die flügelartige Frontklappe, die sich formal in den Scheinwerfergehäusen fortsetzt und Assoziationen an das alte Flügelrad der frühen Eisenbahnen weckt.
Die Polen trumpften dieses Jahr besonders auf: ZNLE stellte den Griffin vor, der zumindest oberhalb des Rahmenkopfstücks durch edles Design überzeugt.
Auch aus Polen kommt diese Lok von PESA, die insgesamt noch überzeugender wirkt, weil hier alles aus einem Guss ist.
Triebzüge bestimmen mehr und mehr das Bild der europäischen Eisenbahnen, vorn ein Doppelstockzug der schweizerischen BLS von Bombardier, hinten ein Regionalzug der polnischen Newag mit viel Charakter. Was spricht, außer der Länge, gegen solche Züge im Maßstab 1:32?
Der Newag-Triebwagenkopf hebt sich durch seinen seitlichen Falz von anderen Formgebungen interessant ab.
Eine russische Firma stellte einen Land Rover auf die Gleise. Für Spur 1 wäre so eine Fahrzeug mit allen Funktionen realisierbar.
Wer sagt denn, dass Güterwagen immer braun sein müssen?
Warum nicht mal quietschbunt? Auch moderne Güterzüge können reizvoll und bunt sein. Personenzüge sind es sowieso:
Dieses Hai-Gesicht des Link von der polnischen PESA kommt nicht nur auf der Oberpfalzbahn zum Einsatz. Die DB hat mit PESA einen voluminösen Rahmenvertrag über diese Züge geschlossen, die man in wenigen Jahren überall sehen wird. Hinten schaut noch der Inspiro von Siemens, der neue U-Bahn-Zug für Warschau, hervor.
Ich hänge selbst meinen Träumen von vergangenen Zeiten der Deutschen Bundesbahn an, als die Eisenbahnwelt noch in Ordnung schien. Doch wer vielleicht am kommenden Wochenende über die Innotrans marschiert, den wird die bunte neue Welt der Eisenbahn nicht kalt lassen. Modernes Design, bunte Züge? Man muss nicht jung sein, um sich für diese schöne Eisenbahn zu begeistern. Oder fahren Sie noch VW Käfer?
Wer am Wochenende zu den Publikumstagen anreist, bei denen das Freigelände für nur 2,50 € besichtigt werden knann, sollte entweder die Bahn nehmen. Die Parkplätze am Messegelände sind heillos überfüllt. Man kann am Olympiastadion parken, von dort aus fahren (zu kleine) Shuttle-Busse kostenlos zur Innotrans. Übrigens: Eine zweiachsige Hanomag-Dampflok von 1925 verströmte gestern ganz am Ende der Gleisharfe bei Wiebe ihre fast schon vergessen geglaubten Gerüche.
Eine Frage zum Schluss: Wieso präsentieren sich die Spur-1-Anbieter nicht auf der alle zwei Jahre stattfindenden Innotrans? Ein Publikum aus aller Welt, neben den Fachbesuchern eine Unmenge von Eisenbahnfreunden, frische Designs und die Kontaktpartner der Industrie direkt vor Ort!
Klar, der Messestand ist nicht billig, und mit einem Tapeziertisch kann man hier seine edlen Produkte nicht präsentieren. Aber die Reichweite wäre größer als bei allen Modellbahnmessen zusammengenommen. 2010 waren über 106.000 Besucher aus 110 Ländern auf der Innotrans.
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Kommentar von Joachim Bochberg |
Lieber Herr Weidelich,
Sie haben recht, die moderne Eisenbahn ist spannend und farbenfroh, und viele Dinge sind möglich, für die man vor 30 Jahren in der Szene geächtet worden wäre (ich habe mal in Bonn Hbf innerhalb von 30 Minuten Wartezeit eine SBB- und eine SNCF-Lok gesehen, dazu DBAG-Züge und Privatbahn-Triebwagen - Märklinistentum pur). Aber - was in der guten alten Epoche IVa (oder noch mehr in IIIb) über die Vielfalt von Baureihen, Wagentypen, Zugbildungen und Planabweichungen zustande kam, kommt heute nur noch aus den Farben der unterschiedlichen EVU - die alle die gleichen Loks und Triebwagenzüge einsetzen. Es gibt viel weniger echte ZÜGE als früher - nur die ewig gleichen Stadler-Triebwagen in immer neuen Farben. Immer zur gleichen Zeit, immer der gleiche Laufweg. Das ursprüngliche Wesen der Eisenbahn, durch An- und Abkoppeln von Wagen das Raumangebot dem Bedarf anpassen zu können, geht doch dabei völlig verloren ...
Schöne Grüße
Joachim Bochberg