FS-Spitzdachwagen und ein irres Gleis-Pentagon
, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 2)
In Naturno/Naturns an der Vinschgaubahn, inmitten der hochindustriellen Apfelbaumplantagen, dient noch dieser alte tipo F als Lager. Die gelbe Farbe ist frei erfunden, denn die Wagen waren braun, weiß oder silbern angestrichen. Von hier aus, wo jeder freie Quadratmeter mit ertragsmaximierten Apfelbaumstämmchen besetzt ist, wurden die Äpfel früher tonnenweise in den Typ-F-Wagen nach Mitteleuropa transportiert. In Südtirol werden heute ein Zehntel der EU-Äpfel produziert, künstlich bewässert und in hässlichen Plantagen, die einem den Appetit vergehen lassen. Und verladen wird in Lkw.
Der Wagen scheint trotz der Farbgebung und leider fehlender Beschriftung weitgehend dem Original zu entsprechen, das bis Ende der 70er Jahre Obst und Gemüse aus Italien nach Deutschland brachte. Schwer vorstellbar ist aber, dass der Kupplungshaken nicht federnd eingebaut war. Denn hier ist er fest mit dem Rahmen verschweißt. Das hätte das Rahmenkopfstück im Fahrbetrieb nicht lange ausgehalten und die Ladung wäre bei jedem Stoß ziemlich in Bewegung geraten.
Gut zu sehen ist der Haken für den Kupplungsbügel, und der Bremsschlauch scheint sogar neu zu sein.
Auf eine Pufferbohle ist ein Schild geschweißt, das auf FS Italia hinweist. Welche Bedeutung hatte es?
Einzigartig waren bei vielen dieser Güterwagen die doppelten Federpakete:
Hier oben sieht man endlich einmal, wie ein altes Güterwagenrad von innen profiliert ist. Die folgenden Bilder dürften eine Augenweide für Detaillierungsspezialisten sein:
Der Schlussscheibenhalter:
Die österreichischen Empfangsgebäude der Vinschgaubahn (auch die Schreibweise Vintschgau ist üblich) wurden nach der erneuten Betriebsaufnahme 2005 schön restauriert. Vereinzelt sind noch kompakte Wassertürme zu sehen.
Das ausgedehnte Gleisfünfeck zum Wenden am Endpunkt der Strecke in Mals ist nur schwer zu fotografieren, aber für Liebhaber komplizierter Weichenstraßen eine Herausforderung. Eine Drehscheibe war damals wohl zu teuer, um die Schlepptenderloks zu drehen.
Der Vorgang war kompliziert: Die Dampflok kam hinter dem Lokschuppen rechts mit ihrem Zug an und fuhr vorwärts hinter dem Wasserturm nach links bis hinter die erste Weiche. Rückwärts kam sie auf den Betrachter zu. Dann fuhr sie vorwärts rechts von dem Fahrradsymbol am Lokschuppen vorbei und wendete, um nach links aus dem Bild zu fahren. Zuletzt kam sie von links mit dem Schornstein voraus und fuhr über die beiden Kreuzungen nach rechts durch das Tor bis ans andere Ende des Bahnhof, wo sie sich nach dem Passieren der fünften Weiche rückwärts vor den Zug setzen konnte, um mit dem Schornstein voraus nach Meran zu fahren.
Wer gern rangiert und einigen Platz hat, wird für diese irrwitzige Situation dankbar sein. Der Grund, warum man hier keine Drehscheibe verwendet hat, soll in dem vielen Schnee am Alpenrand liegen, den man schwer aus einer Grube holen kann.
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Kommentar von Karl Gruden |
Hallo Herr Weidelich,
zur Verdeutlichung wäre ein Gleisplan und sei es nur eine Skizze sicherlich hilfreich.
Anhand der Fotos kann ich mir den Gleisverlauf nur schwer vorstellen.
Gruß aus Berlin
K. Gruden
Antwort von Friedhelm Weidelich
Hallo Herr Gruden,
eine kurze Suche in Wikipedia hilft weiter: http://de.wikipedia.org/wiki/Gleisfünfeck
Auch in Google Maps kann man die Gleisführung, wenn auch unscharf, erkennen.
Kommentar von Conrad Suesserott |
Werter Herr Weidelich,
eine Drehscheibe hätte man wohl liebendgerne eingebaut, wären da nicht die berechtigten Bedenken gewesen, dass diese im Hochwinter vermutlich einfrieren und daher unbenutzbar sein wird !
Dies ist der Grund für dieses ungewöhnliche Gleisfünfeck.
Eine Kostenfrage war das nicht !
Gruß aus Wien,
Conrad Suesserott