Märklin zieht sich aus China zurück
, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 3)
Die heute verbreitete Pressemitteilung spricht eine klare Sprache, wo Märklin künftig nur noch produzieren will: in Göppingen und Györ. In Ungarn wurde eine große Produktionshalle in Betrieb genommen.
Die Pressemitteilung im Wortlaut:
Märklin hat am heutigen Tag seine neue Produktionshalle in Győr eröffnet. Dort wird ab sofort in bis zu drei Schichten gearbeitet. Mit dem Neubau am bereits bestehenden Fertigungssitz in Ungarn bekennt sich der Marktführer im Modellbahnbereich zum Standort Europa. „Um unsere Lieferfähigkeit und das hohe Qualitätslevel garantieren zu können, ist eine Rückverlagerung von Modellen aller Spurweiten in unsere eigenen Werke nach Europa unverzichtbar“, erklärt Florian Sieber, geschäftsführender Gesellschafter von Märklin. „Wir freuen uns sehr, dass wir mit unseren Investitionen den Wirtschaftsraum Europa und im Speziellen den Standort Győr stärken können.“
Erweiterung der Kapazitäten
Märklin hat inklusive der technischen Einrichtungen 9,4 Millionen Euro in die Erweiterung des Produktionsstandortes Győr investiert. Die verschiedenen Produktionseinheiten sind vor diesem Hintergrund neu strukturiert und aufgeteilt worden: Nach rund neun Monaten Bauzeit wird in Ungarn nun eine moderne Kunststoff-Spritzgießerei, eine Oberflächenbehandlung bzw. Malerei und eine Montageabteilung in Betrieb genommen. Die Metallverarbeitung bleibt wie bisher am Stammsitz des Unternehmens in Göppingen.
Ein Drittel der Wertschöpfung fließt nach Deutschland
„Wir verfügen in Göppingen über ein enormes Know-How in der Metallfertigung. Daher werden alle Guss- und Drehteile auch ausschließlich dort in liebevoller Detailarbeit hergestellt“, erklärt Sieber. Aufwendige Kleinserien wie die exklusiven Insider-Modelle werden sogar vollständig in Deutschland gefertigt. Entsprechend fließt mindestens ein Drittel der gesamten Wertschöpfung aller rückverlagerten Modelle nach Deutschland. Dazu Sieber: „Durch die Kapazitätserweiterung in Ungarn profitiert auch unser Stammsitz in Göppingen, da wir nur hier die hochwertigen Guss- und Metallteile der rückverlagerten Modelle produzieren. Die Auslastung dieser Bereiche wird in Deutschland entsprechend weiter nach oben gehen. Diese Arbeitsteilung zwischen Deutschland und Ungarn funktioniert hervorragend – das bestätigen unsere Investitionen in beide Standorte.
Stärkung des Wirtschaftsstandortes Europa
In der Region um Győr sind zwar mehrere große Automobilbetriebe angesiedelt, diese bieten aber in erster Linie Männern Arbeitsplätze. Bei Märklin Hungaria hingegen sind vor allem Frauen beschäftigt – ein wichtiger sozialer Aspekt für die Menschen in der Region. „In unserer Produktion sind Fingerspitzengefühl und eine ruhige Hand gefragt, das können Frauen in der Regel besser als Männer“, erklärt Gabor Kovacs, Geschäftsführer Märklin Hungaria. Mit der Erweiterung der Produktion schafft Märklin mindestens 50 neue Arbeitsplätze. Damit beschäftigt das Unternehmen allein in Győr rund 650 Mitarbeiter. „Durch die Rückverlagerung der Arbeitsplätze aus China in unsere europäischen Standorte stärken wir das Wirtschaftswachstum nachhaltig – europaweit und an den Standorten Győr und Göppingen“, so Kovacs weiter.
Technik auf dem neuesten Stand
Die neue Produktionshalle wurde mit einer Grundfläche von über 6.100 Quadratmetern auf dem Nachbargrundstück des bereits bestehenden Standortes, einer ehemaligen Abstellfläche, errichtet. Das Grundstück hat Märklin bereits 2010 zu diesem Zweck erworben. Die in Győr ansässige Baufirma Mikolasek Kft. hat das Projekt realisiert und die technischen Anforderungen, zum Beispiel bei der Belüftungstechnik oder dem speziellen Kühlsystem für die Spritzgießerei, nach neuestem Stand umgesetzt. Die hohen Ansprüche an Umwelt- und Qualitätsmanagement sind durch die Zertifizierungen ISO 14001 und ISO 9001 von autorisierter Stelle bestätigt worden.
Märklin geht also in die Offensive. Steigende Lohnkosten in China, komplizierte Abstimmungsprozesse mit Konstrukteuren anderer Mentalität, Probleme bei der Qualitätssicherung, lange Transportwege und mangelnde Flexibilität bei Nachfrageschwankungen sind gute Gründe, der Serienproduktion in China den Rücken zu kehren. Denn auf Dauer funktionieren die bisher praktizierten Geschäftsmodelle nicht mehr. Die dortigen Strukturen sind mangels Diskretion auch nicht geeignet, Projekte vorzubereiten, ohne dass Mitbewerber informiert sind. Jeder weiß, was der andere vorhat. Und auch der lässige Umgang der Chinesen mit Konstruktionsdaten und Vorlagen ist nicht geeignet, das geistige Eigentum der Projektentwickler in Europa zu schützen.
Märklin will die Produktion aller Spurweiten nach Europa rückverlagern. Der Spur-1-Markt wird für die Projektentwickler dann noch ungemütlicher, als er es bei stagnierender Nachfrage bereits ist. Märklin kann mit der Produktion nahe am Markt zur alten Stärke zurückfinden. Wenn dann noch die Qualität stimmt und die Qualitätskontrolle vor dem Einpacken garantiert, dass nur einwandfreie Modelle in den Handel kommen und bei den Preisen nicht überzogen wird, hat Märklin auch bei der Spur 1 die Chance, wieder neue Marktanteile zu gewinnen. Im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung war Märklin auch in den letzten Jahren nie unbedeutend.
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Kommentar von Winde |
Hallo Herr Weidelich,
Mal wieder ein hochinteressanter Artikel.
So negativ, wie ich zu HO-Zeiten Märklin gegenüber eingestellt war, so positiv bin ich es heute.
Wie Sie wissen, stehe ich ja noch am Anfang meiner Spur-1-Karriere. Die BR 38, die Silberlinge, und mal eben zwischendurch eine V100 (zu einem Drittel des Preises eines K...-Modells) geben mir das Gefühl, bei Märklin gut aufgehoben zu sein.
Beste Grüße aus der Nordheide
R. Winde
Kommentar von Karl-Heinz Hochmuth |
Nun ja, so richtig "neu" ist die Nachricht ja nicht. Zeichnete sich ja schon länger ab ....
Aber was bedeutet das für die Spur 1?
Die BR 38 wurde in Korea/China gefertigt, die Silberlinge ????
Kommen nun ALLE zukünftigen Spur 1 Artikel aus Göppingen/Ungarn?
Viele Grüße,
Kalle
Antwort von Friedhelm Weidelich
So klar war das nicht, denn sowohl die 38 als auch die Silberlinge kamen nach meinen Informationen aus China und bisher recht wenig in 1:32 aus Ungarn.
Die Aussage der Pressemitteilung ist aber doch klar: Künftig wird in Göppingen und Györ gefertigt. Das heißt aber nicht, dass nun sofort alle Spur-1-Modelle von dort kommen. Die in China begonnenen Projekte werden sicher dort zu Ende gebracht. Ob auch in Zukunft noch einzelne (ältere) Modelle aus China kommen, wird uns Märklin kaum auf die Nase binden. Umstellungsprozesse brauchen immer etwas Zeit.
Kommentar von Christian Jensen |
Considering the low wage levels in China, why would an increase in these levels be a "good" reason to move production out?
Is it so bad to pay an honest wage, as oppossed to always going for the lowest market denominator?
Could the quality control issues have something to do with poor working conditions?