Märklin verschiebt viele Lieferungen auf 2013

, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 8)

Das Weihnachtsgeschäft wird flau

Der jährliche Höhepunkt im Modelleisenbahnhandel ist die Zeit vor Weihnachten. Hier wird ein Großteil der Umsätze gemacht – das gilt für die Hersteller und die Händler. 2012 sind die Perspektiven nicht gerade rosig, denn die Industrie kann nicht liefern.

Der Frust sitzt bei manchen Kunden bereits so tief, dass Sie die Spur 1 aufgeben und zur Spur 0 wechseln, wo das Angebot vergleichsweise groß ist und ständig jemand einen neuen Wagen anbietet oder originelles Zubehör in reicher Auswahl auf den Markt bringt. Sogar neue Null-Anbieter profilieren sich mit Guerilla-Marketing in Foren mit großen Versprechungen, die sie erst noch halten müssen. Verlockender als bei der Spur 1 erscheinen die Perspektiven der quirligen Spur-Null-Szene momentan schon. Und diese Tendenz ist gefährlich für die Spur 1, die S-Klasse der Eisenbahnmodelle. Wer etwas kleinere 1:43-Modelle für ein Drittel oder sogar Viertel des Preises eines 1:32-Modells bekommt und weniger Platz braucht, überlegt es sich schon mal. Zumal es dort nicht fünf bis zehn Jahre dauert, bis alle Wagen eines Güter- oder Personenzugs lieferbar und mühsam zusammengekauft sind. Der Einsteiger will das schnelle Glückserlebnis.

Noch immer hat sich Kiss nicht über die ausstehenden Lieferungen geäußert. Damit verspielt das Unternehmen eine Menge Vertrauen bei den Kunden, die ihr Budget planen müssen. Vor allem stößt die Ungewissheit jene Kunden vor den Kopf, die sich ihre 95 oder ihren Kittel als einziges Weihnachtsgeschenk finanziert und gewünscht haben – so wie ich mir die Kö I von KM1, die nun wohl weiter ins Jahr 2013 verschoben wurde wegen technischer Probleme. Die für Ende 2011 geplanten Weichen muss ich mir auch woanders besorgen. Nicht bei Märklin, denn da kommen sie auch nicht, weil es wohl bei den Antrieben hapert.

Eine Katastrophe ist jedenfalls der soeben erhaltene Lieferplan von Märklin. Die Banken, höre ich, wollen Märklin endlich loswerden. Da kommt es nicht gut, wenn ein äußerst ambitioniertes, bei nüchterner Betrachtung unmöglich realisierbares Neuheitenprogramm zum Jahresende stark reduziert wird. Auch wenn von vornherein klar war, dass so eine Neuheitenflut nicht machbar war. Ob da Milchmädchenrechnungen des Produktmarketings zur Beruhigung der Banken gemacht wurden? Nach dem Motto, 20 plus X Modelle ankündigen, um die Umsatzplanung aufzuhübschen und dann nur einen Teil liefern?

Der November soll immerhin noch die Märklin-Neuheit Baureihe 110 bringen, außerdem die V 100.20 und die Baureihe 335 – auch wenn's etwas viel erscheint. Im Dezember wird es gemütlicher: Lediglich die vier DB-Umbauwagen-Versionen, die bereits für 2011 angekündigt waren, sollen im letzten Monat 2012 ausgeliefert werden. Auf die Rheingold-Züge und viele Güterwagen, zum Teil auch schon seit 2011 fällig, warten Märklin-Freunde weiter vergebens wie auch auf den bereits im Oktober verschobenen VT 98. 2013 sollen sie kommen. Sicher nicht im Januar, da legt sich Märklin nicht fest. Umsatz muss dann wohl mit überzähligen 103-Packungen gemacht werden, die in der Erlebniswelt billig verschleudert werden.

Die Zeit vor Weihnachten ist enorm wichtig, weil hier die emotionale Beziehung zur Modelleisenbahn bzw. den Eisenbahnmodellen traditionell am höchsten ist. Wenn es der Industrie nicht gelingt, in dieser Zeit die weit geöffneten Brieftaschen der Fans anzuzapfen, hat sie ein Problem. Und der Händler auch, der in dieser Zeit seine größten Umsätze einfahren muss für die mageren Sommermonate.

Eisenbahnmodelle sind ein Luxusgut. Niemand braucht sie notwendig für das tägliche Leben. Die enorme Verteuerung von Energie, Lebensmitteln, Mieten und Gebühren bei seit 20 Jahren stagnierenden Realeinkommen reduziert die Konsumfreudigkeit der Bürger zwangsläufig, denn Menschen sind meist vernunftbegabt und planen ihr Budget. Teure Spur-1-Modelle stehen da zuerst auf der Streichliste.

Wenn dann der eine oder andere Spontankauf nicht möglich ist oder (vor Jahren bestellte!) Modelle aus purer Not abbestellt werden, hat die Luxusgüterbranche der Spur 1 ein wachsendes strukturelles Problem. Ein wenig aktive Kommunikation mit den Kunden (und den Medien) würde schon helfen, die große Unsicherheit zu beseitigen. Dass eine klare und ehrliche Kommunikation zwingend notwendig ist für die Beziehung zum Kunden, haben bisher leider die wenigsten Hersteller begriffen.

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Kommentar von Lothar |

in den Foren lese ich meist , wir warten gern , aber das ist Gift für die Modellbahnbrance. Auch was Kiss macht ist unmöglich und Märklin spielt genau so mit den Kunden.
Grad in Spur 1 ist das Eis dünn , klar wer Geld hat dem ist es egal , aber es gibt genug Spur 1er die müssen Sparen.

Kommentar von TE900 |

Ohne "Wenn und Aber",; treffender kann man die ganze Problematik nicht auf den Punkt bringen. Es ist einfach katastrophal, wie man mit uns umgeht; das Schlimme dabei ist, wir lassen es uns gefallen !!!! Und warum? Wir haben gar keine andere Wahl.

Kommentar von NeuSpur1er |

Hallo,

es stimmt, dass die Warterei ziemlich zäh sein kann. Der Artikel hat es gut auf den Punkt gebracht.
Allerdings ist auch zu Bedenken, dass auch die viel gelobte Spur 0 ihre Lieferfristen hat. Der Schienenbus von Lenz ist auch schon lange angekündigt und lässt auf sich warten!!! Mit der 94er wird es genauso sein.

Grüsse vom Ex-Spur-0er und NeuSpur1er, der faziniert von der Größe, Ausführung und Dampferzeugung in Spur 1 ist.

Antwort von Friedhelm Weidelich

Danke für diese Rückmeldung aus dem Reich der Spur Null.

Ich habe mich nach langem Abwägen für die Spur 1 entschieden und würde trotz aller Widrigkeiten nicht zu 0 wechseln. Aus gutem Grund:

  • Die Größe und das Gewicht der Spur-1-Modelle lassen vergessen, dass es "nur" Modelle sind.
  • Klang braucht Volumen, und das hat nur die Spur 1.
  • Die Dampferzeuger machen die Modelle so realitätsnah wie möglich.
  • Die Kleinserien mit mehr oder weniger künstlicher Verknappung machen einen Wiederverkauf ohne zu große Verluste wahrscheinlich.

Kommentar von HPD |

Hallo zusammen,

sicherlich sind die langen Wartezeiten nicht schön. Doch wer genau bei der Spur o schaut, wird feststellen das Lenz alle Modelle nicht liefern kann, die auf seiner Internetseite noch im Frühjahr als lieferfähig in 2012 bezeichnet wurden. (V60, VT 98,yg Wagen ,Weichen) Auch sollte niemand glauben, das die Lenz Br. 50 nur 850 € kosten wird. Ich schätze sie wird um die 1200 bis 1350 € kosten und damit ist man nicht so riesig weg vom KM 1. Bitte vergleichen Sie die Preise einmal bei MTH oder dem neuen Anbieter Herrn Elze.Die Brawa Wagen sind natürlich vom Preis/Leistungsverhältnis irre, aber Kopien der Hübner Spur 1 Wagen.Mal sehen was eine Spur 0 Lok von Brawa kosten wird, wenn eben nicht mehr auf vorhandenes bei Sanka-Kan zurückgegriffen werden kann.
Ich denke die neuen KM Güterwagen werden super und die Preise sind auch nicht so üppig, eine iPod 5 kosten doch auch ca. 800 € und wird wie verrückt gekauft.Also mal sehen was in Köln zu sehen ist, vielleicht macht Herr Weidlich ja ein paar schöne BIlder? Als Vorschlag für die Wartezeit: bauen Sie doch einfach an Ihrer Anlage oder Dioramma weiter, die neuen Fahrzeuge wirken dann nocheinmal so schön in der gebauten Landschaft.
Nocheinmal zurück zu Lenz. Das die sg. Planungsliste gestrichen wurde ist sehr bemerkenswert, da Lenz ja nicht gesagt hat, wer seine Ankündigungen nun scheinbar baut.Da ja wohl alle mehr oder weniger bei den selben bauen lassen und damit wissen wo was läuft finde ich diese Bemerkung von Lenz sehr spannend auch in Verbindung mit seinen Lieferzeiten.Wie auch immer wir sollten der 1 treu bleiben und bitte entschuldigen Sie das ich soviel geschrieben habe, es mußte raus.Ich gehe jetzt mit meiner 1 in den Fahrdienst und freue mich an dem was schon läuft.
Viele Grüße aus Hannover HPD

Kommentar von HJ |

Alles sehr ärgerlich, aber ... es handelt sich um ein Hobby, lebenswichtig ist es also nicht.
Auf der Kehrseite, mich würde mal interessieren wie die Hersteller die viel versprechen und wenig halten - das betrifft nicht nur den Modellbahn- Sektor - eigentlich ihre Brötchen verdienen?

Apropos Gesundschrumpfung, gut möglich, dass das dem Markt passiert. Ob von den Übriggebliebenen dann geliefert wird und zu welchen Preisen wird sich dann herausstellen.

HJ

Aus dem fernen Canada

Kommentar von horst goehr |

Der Ärger und der Frust der mit den langen Wartezeiten daherkommt,ist auch, so scheint es mir, ein bisschen hausgemacht.
Packen wir es mal an der Wurzel.

Alles jubelt wenn die Füllhörner der Hersteller bei den Messen ausgeschüttet werden. Das auch diese Modelle vorfinanziert werden müssen, daran denkt in diesen Moment keiner und so kann es vorkommen, das dabei einem Hersteller die Luft für dieses oder jenes Modell dünn wird. Wäre es nicht besser die Neuheitenflut etwas zu mindern, aber dafür zeitnahe Lieferzeiten anzukündigen und auch einzuhalten. So hätten beide Seiten etwas davon. Der Kunde, der sich über sein Modell freut, der Hersteller, weil bei eingehaltenen Lieferfristen beim Kunden schneller der Wunsch auf "Mehr" geweckt wird.

H. G.

Kommentar von Ulrich Geiger |

Hallo,
nochmals zum Thema der Überschrift zurück kommend, nämlich Märklin:
kann das große "Verschiebungsprogramm" vielleicht damit zusammenhängen, dass erneut wieder Verkaufsverhandlungen am Laufen sind, die bis vsl. März 2013 abgeschlossen sein sollen? Siehe SWR-Nachrichten vom 14.11.12:
Zitat "Die Firma Märklin steht offenbar vor dem Verkauf. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, will der Bobbycar-Hersteller Simba-Dickie aus Fürth die Göppinger Traditionsfirma übernehmen. Demnach verhandelt das Unternehmen exklusiv mit dem früheren Insolvenzverwalter der Modelleisenbahn-Firma."
Link: http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=10584084/g3t0wn/index.html
Warten wir ab, was das für unsere Spur 1 bedeutet.
Schöne Grüße
Ulrich Geiger

Kommentar von R. Heil |

Hallo Herr Weidelich,

ich finde es sehr gut, dass Sie sich kritisch und analytisch mit der Situation aus einander gesetzt haben. Die "Hof-Bericht-Erstattung" mancher Fach-Magazine könnte sich hier eine Scheibe abschneiden. Weiter so, auch kritische Tests in denen gutes und schlechtes dargestellt wird. - Grüße R. Heil