Goodbye Aristo-Craft
, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 4)
Das Foto zeigt einen Roadrailer von Aristo-Craft, der es nie bis nach Europa geschafft hat.
Auf der Spielwarenmesse 2012 fehlte Scott Polk, der jetzt die Firma leitet. Er hatte ein paar Modelle ohne weitere Informationen geschickt, die in der Vitrine vor sich hin dämmerten. Vor dem Rückzug des 75-jährigen President Lewis Polk war es immerhin möglich, per E-Mail oder lange Gespräche auf der Messe etwas über künftige, meist hochfliegende Pläne zu erfahren. Neffe Scott hat den Vertrieb auf einen Online-Shop umgestellt, was zwar das europäische Geschäft kaum schmälert, aber allgemein nicht gut ankommt, wenn auch über Händler verkauft werden soll. Die brauchen eine Marge und vor allem Informationen, wann geliefert wird. Zwischen Ankündigungen und der Lieferung vergingen oft noch mehr Jahre als bei der in dieser Hinsicht ebenfalls nicht eben zuverlässigen Spur-1-Branche. So etwas wie Pressearbeit fand ebenso wenig statt wie bei 1:32, und Bachmann Europe musste sich eventuell lieferbare neue Modelle aus den Listen destillieren, die den Inhalt aus China anreisender Container aufzählten. Was nicht bedeutete, dass für den Europa-Importeur auch ein paar Modelle abfielen. America first hieß die Devise.
Gut scheint es auch jetzt nicht zu laufen. Die trotz mehrjähriger Entwicklungsarbeit ziemlich missratene Consolidation (z. B. Zylinder nicht auf Höhe der Achsen, offener Motor unter dem Führerhaus) wird jetzt im Online-Shop zum halben Preis angeboten. Daneben wird ein Spur-Null-Sortiment von RMT vertrieben, das als Kinderspielzeug, nicht aber als Modelleisenbahn durchgehen kann.
Das völlige Desinteresse am europäischen Markt und den verschiedenen Mentalitäten der Europäer drückte sich auch in den Einkaufspreisen für Bachmann Europe aus. Sie lagen höher als der Preis, den man mit Porto und Einfuhrumsatzsteuer bezahlen musste, wenn man bei einem der großen Discounter in den USA bestellte und selbst importierte - was ich oft genug getan habe. Dass auf diese Weise wahrscheinlich mehr Modelle nach Europa verkauft wurden als über den offiziellen Importeur, wollte die Polk-Familie nicht wahrhaben. Mit der Class 66 und "europäischen" Containertragwagen in 1:29 lieferte sie einen Flop ab. Ärgerlich für alle, die diese Lok gern in 1:32 gekauft hätten, um vorhandene Güterwagen zu ziehen. Aber eben auch typisch für amerikanische Firmen, die nicht fähig sind, sich auf die Kunden außerhalb der USA einzulassen.
Wer die ganz ordentlichen Gleise für den Garten und noch ein paar Wagen will, wird jetzt vielleicht bei Händlern mit US-Sortiment fündig, über die das nicht üppig bestückte Lager von Bachmann Europe in Altdorf die Restbestände verkaufen will. Der niedrige Euro und Luftfrachtkosten von bis zu 100 Dollar (oder 2 bis 3 Monate Seeweg) plus 19 % Einfuhrumsatzsteuer auf Warenwert und Porto motivieren kaum mehr zum Eigenimport. Einzelne Händler werden Aristo-Craft wohl noch anbieten.
Vom europäischen Markt sollte Aristo-Craft aber besser nichts mehr erwarten. Wie dieser Markt mit doppelt so viel Menschen wie in den USA tickt, hat das Familienunternehmen bis heute nicht verstanden. Der Zug ist abgefahren.
Einen Kommentar schreiben
Kommentar von H-J. Mueller |
Die Umwälzungen auf dem Gartenbahnsektor sind in den letzten Jahren ziemlich heftig.
Die Auslagerung der Produktionen nach China zog Folgen nach sich, vorallem als grössere chinesische Hersteller in Kreditnot gerieten und dann 2008 von Kader (http://www.kader.com.hk/) aufgekauft wurden.
Damit änderten sich auch sehr schnell die Lieferbedingungen. War es vorher möglich grössere Produktionsserien "auf Halde" herzustellen und dann in kleineren Portionen abzurufen - bezahlt wurde erst bei Lieferung !! - war das nun Geschichte. Mindestmengen zu einem höheren Ansatz werden auch heute noch gefertigt, nur sind die Mengen schon grösser d.h. die Maschinen/Produktionsmittel werden nicht für jeden kleinen Schub neu eingerichtet. Ausserdem bezahlt der Besteller im Voraus und die bestellten Mengen kommen dann entweder als Ganzsendung oder in Teilsendungen. Jedenfalls hat Kader das Geld für die Produktion "bereits in der Tasche". Gratislagerhaltung beim Hersteller ist vorbei.
Übrigens mussten sich einige Modellbahnfirmen nach neuen Lohnherstellern umsehen, da Kader deren Aufträge wahrscheinlich nicht als so lukrativ ansah.
Wer auf Kader's Website schaut sieht den "Zusammenhang" punkto Aristo auf einen Blick.
Und dann ..... ja die Wirtschaftslage in den Staaten. Gartenbahn- und Modellbahngeschäfte schliessen - teils gehen die Leute in Rente, teils hat man die Schnauze voll, nicht zuletzt deshalb da es ohne Internet und spitz kalkulierten Preisen einfach nicht mehr hinhaut.
Ausserdem schlechtere Beteiligung von Händlern und niedrigere Besucherzahlen an Ausstellungen.
Wenn man nun den Umstand dass die Amerikaner nur ihren eigenen Markt mehr oder weniger richtig begreifen dranhängt wundert es kaum. Mal ganz abgesehen von dem Verteilschema über das Aristo an die europäischen Kunden gelangte. Überraschend war/ist eher, dass die Vertretung mal zum Stehen kam.
Gruss aus dem Weiten Westen von Kanada
HJ
Coldstream BC Kanada
Kommentar von Gerald Adler |
tja, nun ist es soweit.
Aristocraft ist nach 80 Jahren am Ende und schließt zum 31.12.2013.
Schade eigentlich, ich persönlich finde die Modelle sehr gelungen, weil nicht so Spielzeughaft wie z.B. LGB oder Piko, qualitativ annehmbar und preislich trotzdem attraktiv. Aus diesem Grund hatte mich als ich in Sachen Gartenbahn, (Thema U.S Diesel der 50er Jahre) angefangen habe, für Aristocraft entschieden.
Jetzt bleiben wohl außer USA-Trains zu diesem Thema keine Alternativen mehr übrig.
Bei der momentan offenbar etwas schwierigen Situation in USA und der Unternehmenspolitik einiger amerikanischen Unternehmen frage ich mich, wie lange noch.
Mit traurigem Gruß
Gerald
Kommentar von Franco Rossi |
Auch in meiner Sammlung gibt es einige Modelle von Aristocraft. Bis zum letzten Moment wurden noch Traumschlösser geschmiedet, man wollte den Karren noch herum reissen.
Mir gehen als Schweizer die Nerven hoch wenn ich das Gehabe amerikanischer Firmen erleben muss, so zum Beispiel AML mit ihrer Ankündigung die GP 60 und GP 60M jetzt zu bringen.
So werden Händler wie auch Kunden verarscht.
mit kollegialem Gruss
Franco
Kommentar von Jens Vesterdahl |
Aus der Asche von Aristocraft steigt Polks GeneratioNext ...
http://polksgenerationext.com/pages/about-us/
Antwort von Friedhelm Weidelich
Siehe auch hier: http://spur1info.com/nachrichtenleser/items/aristo-craft-lebt-vielleicht-weiter.html