Faszination Modellbahn 2016: Nostalgie in Null

, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 3)

tl_files/bilder/Sinsheim2016-3/Null/Nostalgie-Null-4.jpgNostalgie tut der Seele gut. Deshalb betrachten wir Blechbahnen aus dem frühen 20. Jahrhundert mit einem Lächeln. Sie wirken primitiv, doch gerade das macht sie so reizvoll.

Nostalgia is good for your soul. Tinplate toys of the early 20th century look primitive – but they weren't.

Die Modellbahn fährt heute weitgehend digital, das zeigten die Anlagen auf der Faszination Modellbahn in Sinsheim. Rund um die Uhr, entgegen dem Vorbild, sind H0-Modellautos beleuchtet. Nur bei der Spur 1, wo es am leichtesten wäre, bleiben die Scheinwerfer dunkel. Und so schwankten die Anlagenmotive zwischen realitätsnah und spielzeughaft.

Digital und mit grellen LED vollgestopft bedeutet nicht automatisch gut. Wie Züge gebildet, Kurswagen umgesetzt und Loks aufgerüstet wurden, weiß heute kaum noch jemand. Da wird sinnlos im Kreis oder auf kunstvoll verknoteten Strecken gefahren. Spielbetrieb statt epochegerechter Bahnbetrieb, weil das Rangieren zwar dank DCC sehr leicht wäre, aber längst nicht mehr klar ist, wie es auf Bahnhöfen in der geliebten, aber tatsächlich längst vergessenen Epoche III zuging. Selbst auf der Schüleranlage klebte man an der Epoche III, obwohl die Jungen nicht einmal den Hauch einer Vorstellung von dieser Zeit haben. Vielleicht, weil man den Jungen die Modelle der Väter geschenkt hat.

Dazwischen fällt dann eine Anlage auf, die den Zeitgeist der Vor- und Nachkriegszeit widerspiegelt und auch schon Hightech war. Elitäres Spielzeug für die Oberschicht, faszinierend und mechanisch durchdacht. Mit hohem Spielwert im Rahmen der Möglichkeiten einer elektrisch (und nicht elektronisch) gesteuerten Modelleisenbahn, die es mit der Vorbildtreue nicht so ernst nahm. Die zum Spielen gedacht war und sich deshalb nur an das Vorbild anlehnte wie noch heute manches Gartenbahn-Modell.

Die 36 Quadratmeter große Spur-Null-Nostalgieanlage von Claudius Schüle hat mich fasziniert, weil sie zeittypisch rechteckig und vollgestopft ist mit Blechmodellen von 1935 bis 1953. Die Märklin-Modelle fallen durch ihre Beschriftung auf, Kenner werden auch die deutschen Bing-Modelle und die amerikanischen Lionel-Fahrzeuge erkannt haben.

Beeindruckend war, wie mit Hilfe von Relais, Elektromagneten und Mechanik Betriebsabläufe gesteuert wurden. Hinter dem Bahnhof "Friedrichshafen Hafen" von Märklin drückte eine Elektrolok einen kurzen Güterzug über den Ablaufberg. Einzeln rollten die Güterwagen auf das Abstellgleis, wo sie anschließend von der Lok abgeholt und erneut über den Eselsrücken gedrückt wurden. Vollautomatisch.

Die aus heutiger Sicht primitiven Modelle und Technik faszinieren noch immer. Und vielleicht spielt auch noch die überschaubare und nachvollziehbare Elektromechanik eine nostalgische Rolle. Ein Bote aus einer Zeit, als man noch nicht alles konnte, in der viel gespielt wurde und CV-Listen noch nicht erfunden waren. Ein Gegenpart zur übertechnisierten und sündhaft teuren Modelleisenbahn von heute – auf die kaum einer von uns wieder verzichten wollte. Luxusspielzeug damals – wie heute die Spur 1.

Die Fotos erscheinen in der Größe, wie sie Abonnenten gewöhnlich sehen.

Summary: A nostalgic tinplate gauge O layout gave an idea how model railways looked in the 30s to 50s of the 20th century. Models by Märklin, Bing and Lionel filled the rectangular 36 square meter (387 sq ft) table, controlled by simple relays, electromagnets and contactors. It was a look back to times when model railways were expensive high tech toys like today but easier to handle. And you'd admire at them with a smile.

The pictures are the size in general offered to subscribers of spur1info.

Zurück

Einen Kommentar schreiben

Kommentar von Manfred Unger |

Hallo,

in 1954/1955 kostete eine 01 von Märklin, Spur 0, DM 175,-;
das Durchschnittseinkommen zu der Zeit waren ein paar hundert DM!!!;
nicht lebensnotwendige Luxusgüter auch zu dieser Zeit.

Grüße
Manfred

Kommentar von Horst Gottfried |

Faszination Modellbahn: das lohnt sich anzuschauen: Das Eisenbahn-Spielzeugmuseum in Quedlinburg. Stadt und speziell das Museum sind unbedingt einen Besuch wert. (Foto: Horst Gottfried)

tl_files/bilder/Medien/Quedlinburg Museum 14.jpg

Kommentar von Michael Staiger |

Hallo Herr Weidelich,

danke für den aufschlußreichen Beitrag.
Die Bilder sind sehr schön.

Gruß
Michael Staiger