Eine kleine Bilanz der Spielwarenmesse

, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 1)

tl_files/bilder/SP2014/LogoSpw2014.jpgWie war sie denn nun, die Spielwarenmesse 2014? In der Modellbahnhalle 4 A war von lebhaften Geschäften wenig zu spüren.

Der Versuch einer kleinen Bilanz.

Allzu fröhliche Gesichter sah ich in der Modellbahnhalle nicht. Am ersten Messetag, an dem ich gewöhnlich seit etwa 20 Jahren die Spielwarenmesse besuche, soll wie im Vorjahr gähnende Leere geherrscht haben. Wegen beruflicher Verpflichtungen konnte ich erst am Donnerstag nach Nürnberg fahren und fand eine bestenfalls mittelmäßig bevölkerte Halle 4A vor. Die früher üblichen Rempeleien mit angeblichen Fachbesuchern, die an einer Hand die gelangweilte Freundin oder Ehefrau und in der anderen vier Plastiktüten mit Prospekten spazieren führten, blieben aus. Und auch die Kollegen, die in den nächsten Wochen Hochglanzbilder der Messeneuheiten in gedrucker Form präsentieren wollen, kamen mit ihren Holzkästen voller Modelle überall flott durch.

Obwohl die Neuheiten inzwischen das ganze Jahr fließen und kein Händler mehr wie früher große Mengen vorausbestellt, ist "Nürnberg" zumindest für die Medien immer noch der Höhepunkt. Nicht mehr ganz zeitgemäß, denn die Modellbahnhalle musste auch dieses Mal mit noch weniger Ausstellern ausgekommen. Breitere Gänge und eine "Sonderfläche Kleinserienhersteller" täuschten Aktivität vor, wo nur wenig Aktivität war. Bei den Modellautos, auch nicht gerade eine Boom-Branche, war beinahe mehr los. Oder von Chinesen gelenkte Hubschrauber und andere Flugobjekte sorgten in den ebenfalls nicht vollen Gängen für Unterhaltung.

Geschäftsführer von Modellbahnfirmen, die früher nur mit frühzeitiger Terminreservierung für maximal 15 Minuten zu sprechen waren, schlenderten auf ihrem Stand herum und plauderten mit den oft seit Jahrzehnten bekannten Besuchern. Immer wieder wurde auch ohne Nachfrage eingeräumt, dass sich das Geschäft seit Mitte 2013 verlangsamt habe. Die Schrumpfung der Modellbahnbranche geht weiter voran. Das gilt schon länger für die Modellautobranche, die mit sinkenden Stückzahlen zu kämpfen hat. Was sich unter anderem darin ausdrückt, dass Schuco letztes Jahr mit Resin-Modellen anfing und diesem Trend weiter folgt, weil sich bei dieser Produktionsart auch dreistellige Stückzahlen noch lohnen.  

Bei der Spur 1 wurde deutlich, dass die geradezu irrwitzige Flut von Neuheiten Vergangenheit ist. Wer sich meine Lieferliste von 2013 anschaut, stellt fest, dass viele für das vergangene Jahr versprochene Lieferungen schon viele Monate verspätet sind. Und manche lassen bereits seit Jahren auf sich warten. Neuheiten von 2013 werden als 2014er-Neuheiten "verkauft", damit nicht zu offensichtlich wird, dass der Spur-1-Markt seinen Zenit überschritten hat und bei den finanziell und räumlich überforderten Kunden längst Vernunft und Zurückhaltung beim Konsum eingekehrt sind.

Der gegenüber dem Vorjahresmonat um 2,4 % eingebrochene Einzelhandelsumsatz im Dezember 2013 belegt, dass der Geldbeutel nicht mehr so locker sitzt. Modellbahnen sind Luxus, auf den man zuerst verzichten kann, wenn das Geld knapp wird.

Dass sich die einst glänzende Marke Märklin auf den Weg macht, wieder zu alter Stärke zurück zu finden, ist dabei kein Widerspruch. Denn die Traditionsmarke kann auf Sympathien bei den Stammkunden bauen, die ich gelegentlich durchaus unterschätzt habe. Märklin stand einmal für aktuellste Technik, Innovation, hohen Spielwert, zuverlässige Liefertermine, robuste Qualität und herausragenden Service über Jahrzehnte hinweg. Auch andere Beobachter, die sich mit anderen Gesprächspartnern von Märklin unterhalten haben, gewannen den Eindruck, dass Märklin in Bewegung geraten ist und sich neu aufstellt, um Marktanteile zu gewinnen.

Die unerwartete Präsentation der Handmuster des Gläsernen Zugs ist nur ein Indiz, dass sich Märklin im Spur-1-Markt für den härteren Wettbewerb rüstet. Die pünktliche Lieferung der P8 – wenn auch nur sehr knapp vor Weihnachten – zeigt, dass Märklin seine Lieferpläne allmählich in den Griff bekommt. Die frühe Präsenz des Gläsernen Zugs kündigt an, dass er nicht erst Mitte Dezember in die Läden kommen wird.

Das ist wichtig, weil die Planungszeiträume für Spur-1-Kunden kürzer geworden sind. Die Geduld vieler Kunden wurde über die Jahre über Gebühr strapaziert. Manche haben deshalb der Spur 1 frustriert adieu gesagt. Kaum jemand ist noch bereit, mehrere Jahre auf die Auslieferung seines bestellten Modells zu warten und immer wieder neue Terminverschiebungen und Ausreden hinzunehmen. Wer weiß schon, ob er in höherem Alter die Auslieferung noch erlebt? Welcher Berufstätige weiß, ob er in drei Jahren noch einen Job hat und gut verdient? Und manch einer verliert in solchen Zeiträumen die Lust an der Spur 1, an fruchtlosen Auseinandersetzungen mit zum Teil ungehobelten Anbietern und ihrem Geschäftsgebaren, dass sich über geltende Regeln frech hinwegsetzt. Von Ausreden, Lügen und Kundenbeschimpfungen einmal abgesehen.

Wer binnen eines Jahres die angekündigten Modelle liefern kann, Ersatzteile vorrätig hat, Service bietet und die Kunden in diesem hochpreisigen Luxussegment mit Respekt behandelt, wird sich auf Dauer durchsetzen. Zumal die Modelle immer teurer werden müssen, weil die Produktionskosten steigen und die Stückzahlen fallen. Wer hier investiert, will Investitionssicherheit über viele Jahre hinweg. Denn trotz aller emotionalen Bindung an das Hobby handeln Konsumenten bis zu einem gewissen Grad rational und reagieren mit Konsumverzicht – sofern das Bankkonto nicht bereits eine klare Sprache gesprochen hat bei sinkenden Realeinkommen.

Wenn Anbieter aus falschem Ehrgeiz oder welchen Motiven auch immer mehr oder weniger Doppelentwicklungen anstoßen, mag das in einzelnen Fällen richtig sein. Nur wenn verschiedene Zielgruppen angesprochen werden wie beim Gläsernen Zug, kann das gut gehen (Fine Models arbeitet an seinem Messingmodell definitiv weiter.) 

Sehr wahrscheinlich ist, dass einige Marktteilnehmer schmerzhafte Lektionen vor sich haben. Auf der Spielwarenmesse 2014 verdichtete sich die Erkenntnis, dass sich Marktanteile verschieben werden.

Und weil am Ende die Zeit dann doch knapp war, habe ich vergessen, den letzten Messestand von Vollmer zu fotografieren.

Am vergangenen Donnerstag, als ich auf der Spielwarenmesse war, erreichte spur1info übrigens einen neuen Leserrekord. 1997 Besuche von 1494 Besuchern aus 20 Ländern wurden gezählt, die sich vor allem über die Mobile Control von ESU informierten. Für Spur-1-Fahrer wohl das innovativste Produkt der Spielwarenmesse...

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Kommentar von Christian Gahre |

Hallo Herr Weidelich,
ersteinmal vielen Dank für Ihre Präsentation der Spielwarenmesse.
Ich muss gestehen, ich war dort noch nie und werde sie auch nie besuchen.
Das einzige was ich in der Vergangenheit besucht habe war Dortmund. Die letzten Messen dort waren dermassen voll am Samstag und Sonntag, das es keinen Spass mehr gemacht hat, dort gab es das Phänomen "leere Gänge" definitiv nicht, auch nicht in der EB Sektion!
Was mich ein wenig am Fazit stört ist, das hier kaum von den vielen Neuheiten aus dem immer umfangreicher werdenden Spur 1 Zubehörbereich beleuchtet wird. Da tut sich nämlich wirklich was...gottseidank! Wie schon oft diskutiert, wen interessiert denn den "20zigsten Hersteller" der neue Spur1 Loks und Wagen herausbringt oder mal herausbringen will? Wer soll das alles kaufen?
Meine Prognose für die übrigbleibenden Hersteller in der nahen Zukunft lautet folgender Massen:
Kontinuität, Qualität, Service und vernüftige Kundenbindung, preislich alternative Gleissysteme zwischen "Hübner und High-End Selbstbau" die ständig und schnell verfügbar sind, ebenfalls das wichtigste Zubehör.
..da bleibt heute schon nicht viel übrig.
Meine Meinung.
Beste Spur 1 Grüße
C.Gahre

Antwort von Friedhelm Weidelich

Danke für die Überlegungen. In der Tat tut sich etwas beim Zubehör – wenn auch kaum in Nürnberg.