Die Tagesschau sieht fern

, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 2)

Die Tagesschau der ARD macht sich über einen kanadischen Eisenbahnfreak lustig. Und bleibt ihrem üblichen Niveau treu.

Ich schaue die Tagesschau schon lange nicht mehr. Denn ich interessiere mich nicht für Aufmachern wie "Bundeskanzlerin Merkel rechnet dieses Jahr mit einem gesunden Wirtschaftswachstum" oder "die Bundeskanzlerin ist zuversichtlich, dass die Sonne nach einem Meinungsaustausch auf einem guten Weg ist und morgen wieder aufgeht". Ich hasse Schäubles und Regierungssprechers Phrasen, dass wir dank zusätzlicher Kreditaufnahmen von 11 Mrd. € einen "ausgeglichenen Haushalt" haben. Und ich will auch keine "Nachrichten", die dpa 1:1 aus den Pressemitteilungen von Großunternehmen kopiert hat – ohne auch eine Sekunde darüber nachgedacht zu haben, was das Unternehmen mit der PR-Meldung bezweckt.

Die Tagesschau-Redaktion betreibt dank unserer Gebühren-Milliarden auch ein Internetportal, das den redaktionellen Flachsinn weiterverbreitet und ab und zu auch mal lustig sein will. Ausgerechnet "Schlusslicht" nennt sich die Rubrik, die heute - natürlich völlig vorurteilsfrei und hart recherchiert – einen kanadischen Modellbahnhersteller porträtiert. Der bastelt im heimischen Keller "an seinem Lieblingszug, einem Passagiermodell der VIA Rail Canada - im Maßstab 1:1."

Der Autor hat offenbar noch nie einen Zug in 1:1 gesehen, und dass er auch kein Englisch oder noch weniger die deutsche Sprache beherrscht, zeigt seine Übersetzung für "coach": ein "Passagiermodell". Was, bitte, soll das sein?

Wie bei den meisten Journalisten, die über (Modell)-Eisenbahnen schreiben, ist der Ton von oben herab. Schließlich sind Modelleisenbahner grundsätzlich Irre, die sich dem Erwachsenwerden verweigern und auch sonst nicht ganz von dieser Welt sind.

Gut: Auch ich musste schon eine Handvoll dieser durchgeknallten Spezies kennenlernen, um die Frauen aus gutem Grund einen Bogen machen. Aber die Mehrheit der Eisenbahnfreunde ist in aller Regel weniger verrückt als ein Fußballfan, ein Eiskletterer oder ein Bahnvorstand, der Flugzeuge mit DB-Werbung bekleben lässt und sie "DB Air One" nennt.

Der "Irre" mit dem "Zug" im Keller heißt Jason Shron, betreibt die Firma Rapido Trains Inc. und stellt extrem detaillierte H0-Modelle nordamerikanischer Lokomotiven und Wagen her. In seinem Keller hat er keinen Zug nachgebaut, sondern vier bis fünf Meter eines Personenwagens der VIA – ein wesentlicher Unterschied und nicht schwer zu recherchieren.

Und er musste die Wagenteile auch nicht vor den Augen seiner Frau verstecken wie mancher Spur-1-Modell-Sammler seine Neuerwerbungen:

Actually I could not have done this without the blessing and support of my wife, Sidura. She's known since we first started dating fifteen years ago that I wanted to build a train in my basement, and she was still OK with it after she learned that I wasn't just talking about the 1/87 variety. This is a woman who agreed to borrow $3000 from our line of credit to save an LRC locomotive. She's one in a million.

Auf die Wahrheit muss man eben verzichten, wenn sie einem die Vorurteile kaputtmacht.

Die Nachricht von seiner "Kingston Sub" hatte Shron in seinem Newsletter vom 7.1.2013 verbreitet. Und weil er es mit seinem kompakten Nachbau im Keller ins amerikanische Fernsehen schaffte, hatte nun der freie Tagesschau-Mitarbeiter etwas mäßig Lustiges nachzukauen.

Die von der Haushaltsabgabe zwangsfinanzierten Mitarbeiter der Tagessschau zeigen auch auf diese Weise täglich, dass sie den Anschluss verloren haben.

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Kommentar von Herbert Szepan |

Bei der GEZ wird schon fleißig gerechnet. Eisenbahn im Keller oder auf dem Dachboden - eigenständige Wohneinheit??
Vielleicht auch noch Schlafwagen mit vielen Betten - na da kann man doch??
Spur H0er kommen vielleicht mit dem Faktor 1/87 günstig davon,
bei den 1ern und einem CNL - da kommt bei der GEZ aber Freude auf!!
Gruß
Herbert

Antwort von Friedhelm Weidelich

Ich dachte, das sei mit der Haushaltsabgabe abgedeckt?

Aber es könnte gut sein, dass voll eingerichtete 1:32-Gebäude als Haushalte gelten... Geld

Spartipp: Bei den Modellhäusern unbedingt auf Straßennamen, Hausnummern und Klingelschilder verzichten. Lachend

Kommentar von HJ Mueller |

Mit soviel Rummel um seine "Kellerbahn" steigert sich vielleicht auch der Umsatz im Geschäft.
Übrigens gibt's auch Modellbahner, die sich im Keller einen 1:1 Führerstand bauen und von da die Modellzüge steuern, genau so wie es 'zig Modellbahner mit einer kompletten Fernsteuer-/Überwachungszentrale (CTC Dispatching) gibt. Entweder mit Originalteilen vom Vorbild oder mit Kopien.