Viele von uns verbinden mit ihren Modellen eigene Geschichten aus der Jugendzeit. Die 03 088 bzw. 1972 schon 003 088 vom Bw Ulm war die letzte 03, die ich als junger Student fotografierte und die ich am 3.9.1972 auf einer "Abschiedsfahrt" von Ulm nach Bad Waldsee, Aulendorf und zurück nach Ulm begleitete und von der ich mehr als eine Handvoll Fotos habe.

Folglich habe ich mir das Modell bestellt, denn es ist selten, dass man bei der Spur 1 eine Loknummer erwischt, die man in der Foto-Sammlung hat. Nun ist das Premium-Modell da. Ich habe es stundenlang mit der Kamera umkreist, die gnadenlos Details offenlegt, die im Betrieb und in der Vitrine dem Betrachter verborgen bleiben, wenn er nicht gerade mit einer starken Lupe auf die Suche geht. Dann kommt die Erkenntnis, dass ein Serienprodukt nicht in allen Details dem Original entspricht, weil jede Lok am Ende ihrer Einsatzzeit ein Individuum war und aus naheliegenden Gründen mit Kompromissen produziert werden muss. Gefolgt von der Erkenntnis, dass vermeintliche oder wirkliche Fehler viele Fragen aufwerfen, die die Literatur nicht beantwortet. Am Ende steht die Erkenntnis, eine schöne Lok zu besitzen, die nicht perfekt ist, weil es absolute Perfektion nicht geben kann. Jedenfalls nicht bei einem Serienprodukt zu diesem Preis.

Und noch etwas stellte sich heraus: KM1 hat sich selbst überholt im Streben nach immer besseren Lokomotiven. Das Bessere ist bekanntlich des Guten Feind. Und so bekommt man mit der 03 eine Lok, die gut ist, aber als Premium Edition noch ein bisschen besser sein könnte. Den Premium-Anspruch kann sie nicht ganz einlösen. Es ist ein Modell aus einer früheren Entwicklungsphase.

Die Baureihe 03 wurde schon 2009 angekündigt. Die Gründe, warum sie erst jetzt ausgeliefert wurde, spielen für mich keine Rolle. Im Gegenteil: Es war für mich eine Chance, eine neue 03 zu erwerben, weil ich eben erst später bei der Spur 1 gelandet bin.

Alles und ein bisschen mehr

Das Modell aus Messing und Edelstahl kommt laut Verpackung aus China und hat alles, was die günstigeren Classic-Modelle haben, und ein bisschen mehr: Der Führerstand ist detailgenau eingerichtet und hat einen Holzboden. Der Sanddomdeckel lässt sich öffnen, damit man den Bremssand sehen kann. Die Bremsschläuche können aus den Haltern genommen werden.

Deutlich feiner als bei den Classic-Loks sind die Räder mit ihren elliptischen Speichen, die den Blick auf den leichten Barrenrahmen freigeben. Der hintere Kuppelradsatz treibt eine Schmierpumpe an.

Eine weitere Schmierpumpe links am Umlauf wird im Modell von der Schwinge angetrieben. "Meine 03 088" hat zwar auch diese Pumpe, die nicht einmal im Baureihenbuch von Troche beschrieben ist, aber sie hat keinen von außen sichtbaren Antrieb.

Der Tender 2'2' T34 ist gut gefüllt und gefällt durch die verschiedenen Bretter, die die Kohle daran hindern, ins Führerhaus zu kullern.

Die Wasserklappen am Tender lassen sich über Zugstangen von unten öffnen. Solche Tender hat es offenbar gegeben, doch bei der 03 088 lagen die Zugstangen vor und nicht hinter den Leitern, wie die folgenden Bilder zeigen:

Und wenn wir schon beim Meckern auf hohem Niveau sind: Die Einfüllöffnung für die Speisewasseraufbereitung (das schräge Rohr) auf der Heizerseite war bei meiner Lok länger als beim Modell.

Interessant ist auch der folgende Vergleich:

Die perspektivische Verzerrung und die Tatsache, dass der Tender beim Modell nicht eingehängt ist und deshalb drei Millimeter zu weit rechts steht, sollten keine Rolle spielen. "Falsch" ist aber der Windabweiser auf dem Dachende, denn bei den meisten Originalen saß er in der Epoche IV vor dem Ende des Daches. Damit kann man leben, wie auch mit der etwas langen Blende Windstauschute vor dem Heizerfenster.

Rätsel geben aber die Räder der Schleppachse auf! Denn Zeichnungen und Fotos zeigen die 03 fast durchgehend mit 11 Speichen. Doch die Ulmer 03 088 hatte wie ihre Schwester 03 131 Räder mit 12 Speichen! War das bei der ersten Serie so, die nur 850-mm-Räder im Drehgestell hatte? Troche schweigt sich zu den Speichenzahlen der Schleppachsräder aus, jedenfalls habe ich dort nichts gefunden.

Es kann gut sein, dass die andere Speichenzahl deshalb bei der Recherche unerkannt blieb, oder dass sich eine Fertigung für eine geringe Stückzahl nicht lohnte. Ich muss und kann damit leben.

Akzeptieren muss ich wohl auch zwei vermeidbare Fehler: 1. Der Rauchkammerdeckel vieler 03 hatte in der Mitte eine flache Stelle, weil man den Zentralverschluss bei der Bundesbahn entfernt und die Öffnung mit einer Schraube oder einem Niet verschlossen hat. Das Modell hat eine sehr schwache Andeutung der ebenen Mitte, aber nicht den typischen Schraubenkopf.

2. Die LED in der oberen Lampe bekommt den Strom von hinten. Doch leider hat man vergessen, das hintere Ende der Lampe zu verschließen, so dass auch Licht nach hinten fällt. Das sollte bei einem Premium-Modell nicht passieren.

Alter Decoder

Schwach ist auch die Ausstattung mit einem ESU LokSound XL V3.5-Decoder. Der Sound ist kräftig und realitätsnah, sogar das Dahinrollen fast ohne Dampf klappt auf dem Rollprüfstand überzeugend. Doch gerade für ein so hochwertiges Modell wäre ein Decoder der neuesten Generation 4.0, der sich selbst anmeldet und dessen Lautstärke leichter per Knopfdruck regelbar wäre, angemessen gewesen. Das spricht dafür, dass die Decoder schon länger zugeliefert waren und die Produktion gestockt hat.

Auch ein kleiner Zusatzlautsprecher vorn unter dem Kessel wäre kein Fehler, denn der Sound kommt doch vernehmlich aus dem Tender.

Die Crux bei diesem in der Summe gut gelungenen Modell ist, dass es den technischen Stand der KM-1-"Premium Edition" von 2010 oder 2011 abbildet. Über den Sinn einer servomotorischen beweglichen Umsteuerung kann man streiten, doch inzwischen gehört sie zum Ausstattungsmerkmal dieser Qualitätsklasse. Wenn man sich vor Augen führt, wie viele Klappen, Deckel und Türen zum Öffnen das Premium-Modell der Baureihe 82 haben wird, haben wir es bei der 03 mit einer früheren Modell-Generation zu tun.

Fazit

KM1 hat die Detaillierung und Ausstattung seiner Modelle seit der Ankündigung der 03 derart auf die Spitze getrieben, dass die jetzt ausgelieferte Lok fast ein wenig alt aussieht. Die Folge dessen, dass sich KM1 quasi selbst überholt hat und schon die Classic-Modelle fast die Ausstattung der Premium-Klasse erreichen. Dass unter dem seidenmatten Lack der 03 Messing statt Guss steckt und die Auflage nur dreistellig sein dürfte, mag für manchen ein Trost sein.

Ich werde jedenfalls die Stirnlampe hinten zuspachteln, die Funktionen in die ECos manuell eingeben und mich über meine 003 088 freuen, die fast bis ins Detail der echten 003 088 gleicht.

Nachtrag: Wenn man die vielen kleinen Fehler des Modells kennt, erkennt man sie bei jedem Blick wieder. Auch die Bohrungen im Rahmen der Schleppachse und die Maße des Schornsteins liegen meines Erachtens knapp daneben. Das alles stört auf Dauer und verdirbt den Spaß. Deshalb habe ich das Modell einige Wochen später verkauft.

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Das Vorbild diente übrigens noch Anfang 1973 in Friedrichshafen als Heizlok:

Das ist das letzte Bild, das ich von "meiner 03" aufnahm:

Kurze Zeit später wurde sie in Immendingen verschrottet.