Die Baureihe 12 von Spur-1.at
, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 0)
In einem zweiteiligen Artikel im Lok-Magazin 1974 beschrieb Adolph Giesl-Gieslingen, dem u. a. der schmale Giesl-Ejektor-Schornstein zu verdanken ist, die Entwicklung der mächtigen österreichischen Schnellzuglok seit 1927. Sie musste auf die üblichen 20-Meter-Drehscheiben passen. Die Reihe 214 besitzt einen Stahlguss-Rahmen, wie ihn sich nur amerikanische Fabriken zutrauten, die höchste Kessellage aller Dampfloks und – jetzt kommt's – die längste Treibstange der Welt!
Weil sich der angehende Herr Dr.-Ing. Giesl-Gieslingen gern profilieren wollte, traute er sich bei der Treibstange einiges. Er wählte nicht nur erstmals in Europa Nickelstahl, er wollte auch einen möglichst dünnen Steg. Im Lokmagazin 66 vom Juni 1974 schreibt er: "Schon lange hatte ich es mir zum Prinzip gemacht, bei kritischen Konstruktionen die Literatur und sonstige Informationsquellen nach dem Motto wer getraut sich am meisten zu untersuchen, und während ich an europäischen Treibstangen großer Lokomotiven keine Stegstärken unter 20 mm fand, entdeckte ich amerikanische mit nur 11 mm Steg, so daß ich ein Maß von 12 mm anwenden konnte."
Dank des Stangenprofils, schwärmt der Ingenieur, konnte die Lok mit 155 bis 156 km/h "anstandslos" die höchste Geschwindigkeit erreichen, die je einer österreichischen Dampflok möglich war, bei 7,1 Radumdrehungen pro Sekunde. Mit diebischer Freude lässt sich Giesl-Gieslingen über die Hasenfüßigkeit des deutschen Eisenbahn-Zentralamts aus, das bei der Baureihe 39 eine 3800 mm lange Treibstange für bedenklich gehalten habe und wegen des Kolbendrucks eine Dreizylinderlok vorzug. Die österreichische Zweizylinderlok hatte eine Treibstangenlänge von 4250 mm zwischen den Zapfenmitten.
Als Giesl-Gieslingen Ende 1929 in die USA ging, um seine Wälzhebel-Steuerung zu verkaufen und zu schauen, was man von den Amerikanern noch lernen konnte, hörte er den Chefkonstrukteur von Alco sagen: "Unsere längste Treibstange ist zwei Zoll kürzer."
Gönnen Sie sich also diese Reihe 214, die während des "Anschlusses" Österreichs bei der Deutschen Reichsbahn die Baureihe 12 wurde und nach dem Krieg weiter als 12.10 der ÖBB unterwegs war. Leider nur bis 1956. In Rumänien fuhren Lizenzbauten dieser mächtigen Lok mit ihren 1940 mmm großen Treibrädern sehr viel länger.
Die Details können Sie hier und hier in Wikipedia nachlesen. Fotos gibt es bei Railfaneurope.net.
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