Dekoder für große Spuren sollen einheitliche Schnittstelle erhalten
, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 0)
Es musste in der von MIttelständlern und Familienunternehmen geprägten Modellbahnszene wohl 30 Jahre dauern, bis ihnen klar wurde, dass sie zu klein ist, um Kunden mit jeweils eigenen Schnittstellen, Protokollen und Inkompatibilitäten bei der Digitaltechnik zu nerven. Zwar gehören Glaubenskriege in den Foren um die besten Dekoder und Zentralen zum täglich Brot wie auch die treuherzige Empfehlung der Praktiker, doch ein "Lastenheft" aufzustellen, um damit die geeignete Ausstattung zu finden. Vorausgesetzt, man ahnt überhaupt, was DCC oder andere Standards können und versteht, was ein Lastenheft ist, kann man dann vielleicht zu einem Ergebnis kommen. Doch nicht selten endet der Wunsch nach einer Digitalsteuerung bei der Feststellung, dass das gewünschte Produkt zwar seit Monaten oder Jahren angekündigt ist, aber auch in den kommenden Monaten nicht lieferbar sein wird.
Dazu kommt, dass die wenigsten Kunden – behaupte ich mal von mir ausgehend – kein Interesse daran hat, ein System beherrschen zu lernen, mit dem man das europäische Eisenbahnnetz plus eine Marssonde steuern kann. Das aber nur, wenn man eine 400-seitige, nicht aktuelle Dokumentation durchgearbeitet und verstanden hat. Oft sind die Einsteiger schon froh, wenn sie mangels verständlicher Dokumentation und auch ohne "die ersten Schritte" dank wissender Hobbyfreunde wenigstens in der Lage sind, eine Lok und eine Weiche zu steuern.
Mir kommt das immer so vor, als wenn Linux- und Windows-Programmierer ihr Können ausbreiten, der Kunde aber Apple will: Etwas, was auch ohne Systemkenntnisse und ohne kryptische Fehlermeldungen funktioniert. Davon sind wir noch weit entfernt. Der Einbau oder Austausch eines Dekoders ist bei den großen Spuren (und da beklage ich speziell die Gartenbahnbranche) häufig ein Geduldsspiel und endet bei einer Neuverkabelung oder einem Spezialisten. Apps und am PC- UND Mac-Bildschirm oder gar Tablet PC programmierbare Dekoder, bei denen nicht CVs, sondern Schalter, Schieberegler und Drehknöpfe Funktionen abstimmen und steuern, sehe ich nicht vor 2022. Bei der Benutzeroberfläche bewegen wir uns noch auf einem Niveau, das in der Frühzeit der PCs liegt.
An einer Stelle soll es nun immerhin besser werden: Für Großbahnen der Baugrößen 0, 1, 2 und "G" (wie Gummi) soll es eine neue "elektrische Schnittstelle" (für jüngere IT-Freaks: interface) geben. Die Schnittstelle kann variabel in mehreren Stufen von 16polig bis 44polig ausgeführt werden. Auch das Einbauvolumen der neuen PluG-Dekoder, die mindestens 2 A verkraften müssen, wird an die entsprechende Kontaktzahl angepasst.
Die Dekoderplatinen dürfen zwischen 30 mm und 70 mm lang sein und 20 mm oder 25 mm breit sein. Neu ist unter anderem, dass die Kontaktleiste nicht an den Enden oder teilweise seitlich montiert sein wird, sondern mittig. Das erscheint, sieht man von der fraglichen mechanischen Stabilität ab, durchdacht, weil man so verschieden lange Dekoder bauen kann. (Man könnte sie aber auch kompakter stapeln.) Die Bauform wird sich aber im Design der Innereien unserer großspurigen Sammlerstücke auswirken – sofern die Hersteller überhaupt Interesse daran haben. Das erscheint momentan noch nicht sicher, zumal die 21-pin-Dekoder von Zimo und ESU bereits einen Standard gesetzt haben.
Für die Dekoderhersteller bedeutet die angestrebte PluG-Schnittstelle jedenfalls, dass sie ihre Platinen-Designs umstellen müssen. Und das kann dauern.
Wer sich mit der Materie auskennt, findet bei der RailCommunity ein Datenblatt mit weiteren Details. Unzureichend erscheint schon jetzt der Dauerstrom von 3 A, bei kurzzeitigen Spitzen von 6 A. Nicht gerade üppig für Bahnen im Garten und lange Spur-1-Züge. Die Amerikaner protzen da bereits mit Spitzen von 10 bis 20 A.
Der Herstellerverband hat 21 Mitglieder, darunter die bekannten DCC-Steuerungsanbieter und auch Märklin.
Gartenbahnspezialist Dietz hatte schon auf der Spielwarenmesse im Februar 2012 eine Basisplatine für die neuen Dekoder vorgestellt. Im Neuheitenprospekt 2012 kann man ihn ansehen. Dietz will bald ein Soundmodul anbieten, das auf die Schnittstelle passt. Dekoder sind von Massoth und Dietz geplant.
Die als verschnarcht geltende NRMA ist nicht mit im Boot, ebensowenig die amerikanischen Hersteller. Gut möglich, dass der Großbahndekoder PluG eine europäische Insellösung oder das Hobby einzelner Firmen bleiben wird.
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