Auf dem Weg zum richtigen Gleis

, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 1)

tl_files/bilder/Hosentraeger/_7191893.jpgGibt es ein Gleissystem, das den hochdetaillierten, originalgetreuen Spur-1-Modellen optisch und funktional gerecht wird? Welche Kompromisse will ich machen? Wie weit will ich mich von Herstellern abhängig machen? Was will ich bauen? Die Antworten haben sich langsam entwickelt.

Wer in die Spur 1 einsteigt, entscheidet sich meist bewusst für das, was die Amerikaner den wow factor nennen. Die Modelle beeindrucken durch ihre Größe, ihren Klang und den Detailreichtum. Schnell und schmerzlich wird auch bewusst, wie gering die Möglichkeiten sein werden, wenn man nicht über einen großen Raum und ein gut gepolstertes Bankkonto verfügt – von der notwendigen Freizeit einmal abgesehen.

Aus der Gartenbahnerei auf 45 mm Spurweite kenne ich die Betriebsprobleme, die zu enge Radien mit sich bringen. Unter 120 cm Radius ging mit langen amerikanischen Fahrzeugen nichts, und es sah immer noch spielzeughaft aus. Ich habe mich damit zufriedengegeben, wenn es nicht anders ging. Die Klauenkupplungen haben mehr Spielraum als bei Fahrzeugen mit Puffern, was den Betrieb erleichtert. Und das Gehirn hilft im Garten großzügig mit, Modellbahnen und 1:1-Natur irgendwie unter einen Hut zu bringen.

Spur 1 ist anders und verträgt weniger Kompromisse, weil hochwertige Eisenbahnmodelle aus meiner Sicht kein Spielzeugbahn-Gleisbild vertragen. Wer aus gutem Grund 1020-mm-Radien und steile Weichen fährt und das in Ordnung findet, möge sich bitte nicht angegriffen fühlen. Ich mache niemandem Vorschriften. Ich beschreibe hier nur, was ich von einem Eisenbahnmodell erwarte.

tl_files/bilder/artikel/1pur/FrW_Hosentraeger-2.jpgIch will so nah wie möglich ans Vorbild und mit Schraubenkupplungen fahren. Experimente mit 10°-Hübner-Weichen ergaben, dass 140 cm der kleinste Radius sein muss und auch damit schon Überpufferungsprobleme entstehen. Besser wären 230 cm, stellte sich heraus, und maximal ein Viertelkreis machbar.

Dann sah ich 3-m-Radien und fand sie mit Schnellzugwagen viel zu eng. Die 6-m-Radien bei einem Fremo-Treffen wirkten dagegen zumindest wie bei einer Nebenbahn und ausgesprochen überzeugend.

Nacheinander zerplatzten die bunt schillernden Seifenblasen, mit denen ich mir einen kleinen Bahnhof mit einer Bogenweiche vorgestellt hatte, an die ich bei Gelegenheit Module anschließen wollte, um ein wenig Strecke zu simulieren.

Es tut weh, von Plänen Abschied zu nehmen, die mit Spur Null oder H0 realisierbar gewesen wären. Aber ich hatte mich ganz bewusst und nach langem Abwägen für die detailversessene Spur 1 entschieden, weil sie alternden Augen das meiste bietet. Die Anlagen von PAJ hatten demonstriert, was machbar ist: kompakte, schmale Anlagen mit wenigen schlanken Weichen und einer Ausfahrt in den Schattenbahnhof. Das entspricht den Möglichkeiten, die ich vom Platz her habe. Stil und Qualität der PAJ-Anlagen und -Dioramen gefallen mir sehr gut. Auch wenn die verwendeten Gleise den detailreichen Gesamteindruck etwas stören. Die Detaillierung reizt mich, ich will nicht in einem Jahr fertig sein und mich dann womöglich langweilen. Der Weg soll das Ziel sein.

Zwar habe ich schon ein Vorbild für meine kleine Anlage gefunden, aber die Zeit ist noch nicht reif für die Detailplanung. Festgelegt habe ich mich aber beim Gleis. Auch diese Entscheidung hat eine Vorgeschichte: Irgendwann ist auch bei einem Spur-1-Modellbauer ohne Zeitdruck der Punkt erreicht, wo die Geduld zuende ist. Irgendwann will man bauen. Zwei Jahre habe ich auf Hübner-Weichen von Märklin gewartet. Nun sind sie lieferbar, aber ich will sie nicht mehr. Auch andere Weichen, die ich gern ausprobiert hätte, lassen weiter auf sich warten. Ich habe aber keine Lust, mich Unternehmen auszuliefern, die sich gern das Etikett „Vollsortimenter“ anheften, aber nicht in der Lage sind zu liefern.

tl_files/bilder/Hosentraeger/2013072917-1059.jpgDie bekannten Alternativen hatten nach der Beschäftigung mit dem Hosenträger-Stahlschwellengleis an Reiz verloren, denn das schlanke und originalgetreue S49-Profil (rechts im Bild) hat genau das, was ich von einem Spur-1-Gleis erwarte. Auch das gemächliche Montieren der Gleisjoche hatte viel Spaß gemacht und nach langer Bastelabstinenz ein überraschend gelungenes Ergebnis beschert. Nun habe ich mich einige Stunden mit dem Holzschwellengleis von Hosenträger beschäftigt und bin mir sicher: Dieses Gleissystem wird es sein, es passt zu meinen Vorstellungen.

Entscheidend ist dabei ein Punkt: Ich kann mit NEM-Rädern auf einem originalgetreuen Gleis fahren. Das erfordert zwar Kompromisse beim Gleisbau und bei den Weichen Abweichungen vom Original. Aber für meine Zwecke ist diese Entscheidung richtig.

Warum? NEM-Radsätze wirken je nach Hersteller nicht gerade „echt“. Die Spurkränze sind stark überhöht und oft nicht einmal vorbildnah zur Lauffläche hin ausgerundet. Finescale- oder gar 1pur-Radsätze entsprechen fast bzw. völlig dem Vorbild und sehen fantastisch aus. Ich beglückwünsche jeden, der solche Modelle auf dem Diorama stehen hat oder Platz zum Fahren hat.

Doch was mache ich, wenn ich eine Lok zur Besprechung ausleihe und die NEM-Radsätze auf meinen Finescale-Weichen nicht laufen? Will ich meinen kleinen Fahrzeugpark umbauen? Lassen sich Finescale-Loks ohne große Verluste verkaufen, wenn ich mich von ihnen trennen will oder muss? Kann ich die vorhandenen Gleise zum Beispiel weiter nutzen, zum Beispiel auf Trassenbrettern oder im Abstellbahnhof? Will ich eine Märklin-P8 womöglich für viel Geld umrüsten lassen, weil Märklin kein Finescale anbietet? Und vielleicht will ich einen Zug doch einmal auf die Gartenbahn setzen.

Diese Überlegungen mündeten schließlich in der Entscheidung für Hosenträger-Gleise, aber mit den entsprechenden Anpassungen in den Weichen. Bei gewöhnlichen Gleisen genügt es, innen um Millimeterbruchteile verkürzte Schrauben zu verwenden oder die angegossenen Kunststoffschrauben bei den Stahlschwellen minimal zu kürzen. Ein akzeptabler und mit bloßem Auge nicht sichtbarer Kompromiss. Die Räder mit NEM-ähnlichen Hausprofilen von Pein und Dingler sind mehr als akzeptabel, und die Radsätze im Dunkeln unter einer Kö I oder manchen Wagen sieht man nicht.

Über den Bau der ersten Holzschwellengleise werde ich in den nächsten Tagen berichten.

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Kommentar von Cor de |

Dear Friedhelm,

I read your article with a great interest. For my 1:32 railway I use the Hosenträger tracks and points in finescale. My first 1:9 point is completed and I started with a 1:6,6 one. It's lovely to build a point with all the details. I even placed the "Stützknaggen". And I also want to build "Klammerspitzenverschluss" in my points. For my fiddleyard "Schattenbahnhof" I use the Peco finescale tracks and points. This will reduce the costs and can make a quick progress in track building. Why spend a lot of money to buy beautifull engines and wagens mostly counting the rivets but the most modellers let the models run with oversized wheels on non prototypical tracks. Beautifull designed engines and wagens deserve fine wheels and protoypical tracks to run on.

Cor de Jong
The Netherlands.

Antwort von Friedhelm Weidelich

Dear Cor,

Thank you for your comment. I agree: Nitpicking on scale models but accepting rather roughly made toy-like track and points don't match at all. For several reasons I stick to NEM-like wheelsets but will look for low flanges. So I can use the old track stuff with my fiddleyard or simple modules.

Building Hosenträger track is fun and worthwhile the time and money to invest.