Aristo-Craft gibt auf

, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 4)

tl_files/bilder/Gartenbahn/265382056.jpgWas absehbar war, aber von den Inhabern von Aristo-Craft energisch bestritten wurde, ist nun Gewissheit:

Aristo-Craft schließt zum Jahresende.

 

Der Zug ist abgefahren. Ein übersättigter Markt, falsche Modellpolitik und mangelnde Kommunikation mit dem Kunden haben dem Gartenbahn-Hersteller das Ende bereitet.

Heute wurden Kunden und Händler mit dieser E-Mail über das Ende von Aristo-Craft informiert:

October 1st, 2013

Since 1935, we have provided service and innovation to the Hobby industry. In this latest downturn, we cut back staff to the minimum required to survive. Then the government battle over the debt ceiling drove the consumer market down even further.

We’ve managed to stay in business, but the continued depression for the consumer has caused us to fall into debt that is unsustainable. We have put several million dollars into product development over recent years, but the need for customers to cut back on non-essentials has caused this investment to be lacking in returns.

We have seen leisure activities like golf courses plunge in popularity, as funds for such recreation have dried up. It seems to be the same for hobby time investments. Our products are no longer inexpensive as they were in the 1930s-era Depression. The cost of manufacturing along with minimum production runs and long lead times has caused a lack of ability to continue as a sustainable entity. It’s no longer a business!

It has been a pleasure to help our creative consumer base to enjoy their hobby and we have no regrets in doing so. Our business grew every year until the 2008 as the recession caused a shrinking of the mindset to stay active in our large-scale model train arena. We know that smaller scales have remained viable, but the higher cost of Large Scale trains and the space required to run them have not maintained their share of the market. Our airplane R/C portion of our business was lost when our patented frequency changer was lost to the 2.4Ghz portion of the marketplace, with no frequency compounds needed any longer.

For 80 years, the Polk family has made a fair living in the Hobby industry. I can’t help but remember the scores of co-workers that have helped make this organization as special as it was. Thanks to them all, but notably: Gil Rose, B.M. Song, J.K. Kim, Sam Kimm, Tom Flynn, Cliff Crane, Charlie Binder, Marvin Binder, John and Sherry Shievdayal, Aixa Lebron, Joe Bamberger, David Newell, Walter Matuch, John Mikesh, Navin Shievdayal, Marguerite Hubert (Rose), Michael J. Vickey, Jonathan Polk, Scott Polk, Fred Polk, Irwin Polk, Nathan Polk, Maryann Polk Bob Calandra, George Adams, Michael Hauptmann and so many others, it would take a book to list them all. While I can’t list all the hundreds that were part of the team, they remain in my heart and mind.

Our humble thanks to our loyal customers. Our apologies for not being able to keep this almost 80-year-old business going. It’s a heartbreaker for us all.

All the best,
The Polk Family

 

Die Konsequenz aus eigenem Versagen, Marktflaute und Qualitätsproblemen

Die Geschäftsausgabe kommt nicht überraschend. In den letzten Monaten wurde die Gartenbahn am Firmenstandort abgebaut und angekündigt, dass man das "zu groß gewordene Lager" und die Büros verkaufen wolle. Das Geschäft mit der digitalen Funkfernsteuerung (die meines Erachtens weder ausgereift noch gut durchdacht war) war bereits an einen externen Partner übergeben worden. Die letzte Garden Railways erschien ohne Anzeigen von Aristo-Craft. Am 20. August 2013 hatte das Unternehmen noch jegliche Schließungsabsichten dementiert. Der entsprechende Eintrag ist inzwischen aus dem Aristo-Forum entfernt worden.

Die letzte Dampflok vom Typ Consolidation war in vielerlei Hinsicht missraten und kam nach mehrjähriger Lieferzeit in einem amerikanischen Markt an, der bereits kaum noch konsumieren wollte. Schlecht montierte Räder, die sich nach kurzem Betrieb lösten, waren nach den Erfahrungen amerikanischer Kunden (und auch nach meinen Erfahrungen) nicht ungewöhnlich. Dazu kamen rätselhaft lange Lieferzeiten, zu kleine, schnell ausverkaufte Serien und die dank China-Produktion sehr schwierige Ersatzteilversorgung. Und nicht zuletzt die Beschwörungen von Senior-Chef Lewis Polk, wieder mal ein "world class"-Produkt abliefern zu wollen und Dementis von häufig auftretenden Fehlern bei neuen Modellen. Auf Kundenbeschwerden einzugehen, war nicht eben eine Tugend des kleinen Unternehmens, das alles besser zu wissen schien.

Auch in Zeiten, als sich die Nachfrage bereits abschwächte, wurden immer größere Loks angekündigt, die kaum jemand einsetzen konnte. Farbvarianten von alten Modellen sollten über mangelnde Neuentwicklungen hinwegtrösten. Von der Vorstellung neuer Handmuster bis zur Fertigung vergingen nicht selten drei oder vier Jahre.

Lewis Polk, den ich sehr lange kenne, hatte immer wieder in Nürnberg von den vielen Dingen geschwärmt, die in Entwicklung waren: Die Funkfernsteuerung "Revolution", die nicht einmal updatefähig war und das Thema Sound ausklammert. Eine neue Kupplung namens "Kuppler", der nie über das Prototypstadium hinauskam und schlicht überflüssig war. Eine in Europa weit verbreitete Class 66, die er im hier nicht geläufigen Gehäusemaßstab 1:29 statt in 1:32 bauen ließ und die entsprechend floppte.

Lewis und sein Neffe Scott, der nach dem nicht lange dauernden Rückzug des Seniorchefs das Geschäft führte, hatten noch nach deutschen Vorbildern Ausschau gehalten: Der eine, weil er amerikanische Dampfloks irgendwie eindeutschen wollte. Der andere, weil er gerne eine deutsche Diesellok auf den Markt geworfen hätte. Beide Bemühungen verliefen im Sande, weil es wohl auch am Kapital gefehlt hatte. Zumal nie ein Verständnis für den anders gearteten europäischen Markt und die viel zu hohen Preise der Importeure da war.

Der eingeschlafene Gartenbahnmarkt in Nordamerika, wo inzwischen viele Versender und Modellbahnläden geschlossen haben, sollte mit einem Direktvertrieb und -versand wiederbelebt werden. Das Ergebnis war ein Rückgang der Umsätze mit Händlern um 85 %. Angesichts der UVP-Mondpreise und Verramschungsaktionen von Aristo-Craft stießen auch Händler ihre Lagerbestände ab und warteten vergeblich auf neue Modelle.

Für den amerikanischen Gartenbahn-Markt ist das Ende von Aristo-Craft ein schwerer Schlag, denn die Modelle waren lange Zeit voller interessanter Technik und LGB in dieser Hinsicht weit voraus. Nun bleiben noch ein wenig USA Trains, AML und die Schmalspur- und Spielzeugmodelle von Bachmann.

Der Niedergang von Aristo-Craft ist nicht nur eine Folge der Konsumzurückhaltung und den Produktionsbedingungen in China. Unbelehrbarkeit, falsche Markteinschätzungen, Kapitalschwäche und der Versuch, den Handel durch Direktvertrieb auszugrenzen, haben dem Familienunternehmen das Rückgrat gebrochen.

Schon Mitte 2012 war das Ende absehbar, als ich die Entwicklung von Aristo-Craft hier kommentierte.

Spur-1-Anbieter könnten aus der Misere lernen.

 

Nachtrag 20.00 Uhr: In amerikanischen Foren keimen inzwischen Hoffnungen auf, dass die Chinesen, namentlich Bachmann, in absehbarer Zeit wieder mit ehemaligen Aristo-Produkten auf den Markt kommen könnten. Denn die Formen und Werkzeuge lagern bei chinesischen Produktionsstätten.

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Kommentar von Lothar. M |

Guten Tag
Es ist immer wieder schade wenn ein Hersteller von Modellbahn aufgibt. Da ist es egal welche Spur Grösse und auch welcher Hersteller. Richtig ist der Markt war noch nie so vielfältig wie jetzt. Aber immer weiter steigende Preise und weniger Modellbahner sind sehr schädlich für den Markt. Aber auch zu oft am Markt vorbei produzierte Modelle sind dabei mit Schuld.
Einige Hersteller müssen ihre Strategie ändern und auch wird zu oft zuviel als Neuheit vorgestellt , was den Hersteller aber auch den Modellbahnhandel und Modellbahner unnötig unter Druck setzt.
Dies ist meine Meinung
Gruß
Lothar

Kommentar von H-J Mueller |

Hi there,

Überraschend war das ungefähr so wie anno 2006 bei den Nürnbergern. Die Anzeichen waren seit einigen Jahren sehr deutlich, die Verlautbarungen der "Eingeweihten" auch, denn das Buschtelefon funktioniert auch in Nordamerika ziemlich gut und mit etwas Erfahrung weiss man bald mal wem man Glauben schenken darf.
Die Firma selbst, und deren unverbesserliche Anhänger, dementierten und dementierten. Das ändert aber an den Tatsachen nichts, ausschlaggebend ist nur was und wann geliefert wird. Ausserdem ist die Dementations-Masche seit ca. 2004/05 bestens bekannt. Erstaunlich ist eigentlich nur wieviele Leute auch heute noch aus den Wolken fallen.
Schönen Gruss

HJ

PS wie's weiter geht wird sich - wie schon angetönt - relativ bald zeigen.

Ganz weit im Westen von Kanada

Kommentar von Helmut Hanel |

Das nun eingetretene Ende ist für den Modellbahner bedauerlich, aber nicht ganz untypisch für Familienunternehmen, die für die 45mm Spur fertigten. Eine gewisse Ignoranz gegenüber dem Kunden nach etlichen fetten Jahren gepaart mit Lohnfertigung werden schnell zum Risiko, nicht nur in diesem Sektor. Die Prinzipien des ehrbaren Kaufmanns sind in der Branche offensichtlich durch den "cash-flow" ersetzt worden, daran muß ich mich noch gewöhnen.

Insgesamt ist es dennoch schade, die Modelle waren stimmig und die zuletzt gekauften PCC-Strassenbahnen hatten eine gute Fertigungsqualität.

Leider geht es mit den Lieferproblemen weiter. Wie mein freundlicher US-Händler gestern mailte, kann er die von Bachmann angekündigten Peter-Witt Wagen nicht vor Januar liefern.

Herzliche Grüße

Helmut Hanel

Kommentar von Gerald Adler |

Hallo,

Die Vision, dass Bachmann das Aristocraft Programm fortführen wird, entstand vermutlich aus dem Wunschdenken vieler Aristocraft Fans, ist aber gar nicht soo abwegig.

Die Herstellungswerkzeuge, Formen, Pläne etc. sind ja bei den Aristo-Zulieferern in Asien vorhanden. Diese Zulieferer werden vermutlich eher an einer Zusammenarbeit mit einem neuen Partner interessiert sein, als alles einzustampfen.

Bei Bachmann würde das Aristocraft Programm nach etwas Bereinigung gut ins Sortiment passen, so dass dann auch die "Dieselfraktion" befriedigt werden kann, welche sonst beim Wettbewerb (USA Trains) kaufen würde.

Qualitativ hat Aristocraft in den letzten Jahren vieles verbessert und was die Optik und Haptik der Modelle angeht, brauchten diese noch nie einen Vergleich zu scheuen.

Freundliche Grüße
Gerald