Anlagenbau vom Feinsten

, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 0)

Modellbau von PAJPatrick Dalemans und seine vier Kollegen aus Belgien sind hervorragende Modellbauer und unter dem Kürzel der drei Gründer – PAJ Modelbouw – bekannt.

Mit welchen gestalterischen Tricks arbeiten sie?

Fünf Fotos von Patrick Dalemans und vier von mir dokumentieren ihre Anlage, die sie für den Lokladen Bingen gebaut haben. Sie war in Sinsheim und zuletzt in Dortmund zu sehen und belegt, wie man auf geringem Platz viel Atmosphäre zaubern kann. Wenn Sie die Bilder anklicken, werden sie in voller Größe sichtbar. Leider lassen sich die Texte nicht direkt bei den Fotos platzieren. Öffnen Sie die Bilder in einem neuen Tab, dann können Sie parallel lesen und schauen.

Bild 1 zeigt das Kernstück einer winzigen Lokstation (bzw. einer Bahnbetriebswerk-Außenstelle) mit Lokschuppen, Kohlekran, Wasserkran und sogar Wasserturm im Hintergrund. Der Bohlenweg zum Schuppen ist ein optischer Trick, der Distanz zwischen Schuppen und dem sehr dicht stehenden Kohlekran schafft und die eigentlich viel zu kleine Fläche strukturiert. Genial ist die Front aus Felsen, denn sie gibt der Szene mehr Tiefe und einen Grund für die einfache, steile Treppe, bei der – jedenfalls nach deutschen Sicherheitsvorschriften – nur ein Geländer fehlt.

 

Bild 2 belegt eindrucksvoll, wie man Platz spart. Die schmale Straße führt in den gemalten Hintergrund und dient gleichzeitig als Fläche, um von der Verladerampe abbiegen zu können. Normalerweise würde sich an die Rampe ein längeres gerades Stück anschließen, damit längere Fahrzeuge – Lkw und Traktoren mit Anhänger – gut umdrehen können. Der angedeutete Wald rechts hinten steht auf einer Böschung, die wie auch der Baum links den Blick begrenzt. Denn dahinter befindet sich die Hintergrundkulisse. Auf die sind einzelne Bäume aufgemalt. Den leichten, hier kaum störenden Schattenwurf der Bäume vor der Kulisse könnte man übrigens vermeiden, wenn man die Bäume als Halbrelief auf den Hintergrund aufkleben würde. Das würde außerdem noch mehr Platz zu sparen helfen.

 

Der Wasserturm auf Bild 3 ist ein Zwerg. Das fällt aber nicht auf, weil die nahen Lampen und Bäume viel kürzer sind, als sie eigentlich sein müssten. Hohe Gegenstände würden die Umgebung schrumpfen lassen. Die Hintergrundkulisse mit ihren vielen vorgetäuschten Ebenen und Wiesenhängen verschleiert sehr geschickt die Größenverhältnisse. Da ist nichts zum Maßnehmen und Vergleichen.

 

In Bild 4 fällt auf, wie dicht die Bekohlung an den Schuppen gerückt ist. Aber selbstverständlich gehen die Schuppentore noch zu. Die Schaufel ist hier fehl am Platz und macht nur allzu deutlich, wie winzig die beiden Kohlebansen sind. Die Ölfässer links winken neben der kurzen Leuchte etwas überdimensioniert. Die konsequente Alterung/Patinierung aller Bauwerke dämpfen aber die Skepsis, weil alles wie gewachsen und nicht hingestellt wirkt. Nur der Eisenbahner mit Schürze wirkt deplatziert – weil er eine Schürze trägt, was kein Rangierer je täte. Daran sieht man den Mangel an guten Eisenbahner-Figuren in 1:32. Die Felswand im Vordergrund schafft eine enorme Tiefe, obwohl es nur 2 bis 3 m im Modell wären.

 

Die Landschaftsgestaltung auf Bild 5 ist modellbauerisch von bester Qualität, denn hier wird eine Mittelgebirgslandschaft wie in Bayern, auf der der Schwäbischen Alb und anderen Regionen Mitteleuropas wunderbar reproduziert. Die vielen unregelmäßigen Flächen mit Felsen, Abbrüchen, Erde und verschiedenen Vegetationsformen schaffen Abwechslung und führen das Auge in die Irre. Selbst der Telegrafenmast ist akzeptabel. Hätte man ihn nach vorn zum Betrachter verlagert, wäre dank des verkleinerten Zauns, den man allerdings auf dem Land wahrscheinlich gar nicht hätte, noch mehr Tiefe vorhanden. Der leichte Bogen, der nach rechts und nach vorn in Richtung Abstellbahnhof führt, und von vorn nach rechts ansteigend verdeckt ist, macht das Großdiorama interessanter und erfüllt seinen Zweck.

 

Bild 6 zeigt den simplen Abstellbahnhof, der ein drehbares Brett ist, das auf drei separaten Gleisen Platz für fünf bis sechs Wagen und kurze Züge bietet, die mit dem Brett gedreht und andersherum wieder ins Diorama einfahren können. Einfache Riegel und doppelpolige Stecker sorgen für sicheren Betrieb.

 

Sogar eine Monsterlok wie die Ludmilla wirkt in Bild 7 nicht übertrieben groß. Die Abstufung des Vordergrunds schafft Distanz und täuscht eine größere Entfernung vor.

 

Das bayerisch angehauchte Empfangsgebäude in Bild 8 wirkt auf den ersten Blick stimmig. Der Güterboden ist zwar sehr hoch und würde nicht mitten am Bahnsteig enden, weil dann am Personenzug die Türen nicht aufgehen würden. Man hätte ihn ein, zwei Zentimeter zurückversetzen können, denn im Original hätte man eine kleine Rampe benutzt, um den Weg in den Gepäck- oder Güterwagen zu überbrücken. Das ist aber Meckern auf hohem Niveau. Der abgeplatzte Putz vor den Backsteinen und die beiden Bediensteten auf dem Güterboden lenken davon ab, dass alles sehr klein ist. Die frischen Birken an den Ecken und Kanten zeugen vom Verfall und dem Alter des Bahnhofs.

 

Bei der Perspektive von Bild 9 wünschte man sich links hinten ein, zwei Meter Gleis mehr. Doch die Modellbauer von PAJ Modelbouw haben es trotzdem geschafft, alle Voraussetzungen für einen interessanten Betrieb zu schaffen. Bis zum Prellbock ist Platz für eine Diesellok mit zwei Wagen oder die Lokomotiven, die aus dem Schuppen ausfahren und sich am anderen Ende des Dioramas vor den Zug setzen könnten. Vor der Laderampe, wo jetzt die Köf II steht, könnten zwei bis drei Güterwagen abgestellt werden, um zum Beispiel landwirtschaftliche Maschinen und Produkte zu verladen und entladen.

 

Natürlich würden sich bei einer Nebenbahn höchstens zwei Loks auf der Anlage aufhalten. Der Lokschuppen bietet die Möglichkeit, darin zwei Tenderloks zu verstecken.

 

Von der sehr guten Patinierung der Fahrzeuge abgesehen, ist die Gestaltung der Böden mit ihrer abwechslungsreichen Vegetation Spitzenklasse. Sie besteht nicht aus öden Grasmatten, sondern ahmen die unregelmäßigen Strukturen der Natur gekonnt nach. Schotter, Gleis- und Schwellenfarben sind exzellent getroffen. Der gemalte Hintergrund ergänzt die Motive im Vordergrund und „erzählt“ die Landschaftsszenerie gewissermaßen weiter. Das ist PAJ-Modellbaukunst, von der man eine Menge lernen kann.

 

Wenn es an Zeit und Talent fehlt, bauen die fünf Herren aus Belgien bestimmt gern auch Ihr Diorama oder Ihre Anlage.

 

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