Wo bleiben die Modelle nach modernen Vorbildern?

, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 1)

221 mit D-Zug in Aldingen. Foto: Friedhelm Weidelich

Die Deutsche Bundesbahn, Epoche IIIa oder IIIb, ist nach nicht repräsentativen Umfragen, die aber trotzdem realitätsnah sein dürften, das beliebteste Thema bei Spur-1-Bahnern. Ein bisschen darf es auch in die Epoche 4 ab 1968 hineingehen, aber noch lieber schauen viele auf die zumindest technisch glorreiche Deutsche Reichsbahn Gesellschaft. Auch ich versuche mit einer Eselsgeduld ein paar 1:32 Mal verkleinerte Stücke meiner Jugendzeit aufzutreiben und klebe an den Epochen IIIb und IV, für die es massenhaft nur steinalte dreiachsige Umbauwagen mit völlig falschen Fenstern und anderen Fehlern gibt, aber kaum gewöhnliche Güterwagen, weil Märklin die aus dem Hübner-Programm einfach nicht liefert und die anderen entweder keine mehr haben oder erst 2013 oder 2014 liefern können. Aber das nur am Rande.

Neigezug Frecciargento (Silberpfeil) der Trenitalia

Mit Modellen der DB und DRG und der einen oder anderen Länderbahn werden die Anbieter noch ein Jahrzehnt leben können. Dann wird das Interesse der Sammler im Rentenalter nachlassen und ihre Erinnerungen verblassen.

 

Doch was ist mit dem Nachwuchs, der heute schon auf die 40 zugeht und dringend herangezogen werden muss, um langfristig das Geschäft zu sichern? Es sind Modellbauer, die die Dampflok nur aus dem keimfreien Museumsbetrieb auf heutigen Gleisen kennen, fast ohne Formsignale, und nirgendwo winkt am ferngesteuerten Bahnhof noch ein Rotkäppchen dem Lokführer zu und achtet auf Heißläufer. Divisions, Profitcenter und Subsubunternehmer eines Großunternehmens ohne Dienstleistungsabsicht haben aus der über Generationen gewachsenen Eisenbahnerfamilie hoch belastete Jobber gemacht, die ohne nennenswerte Entscheidungsbefugnis als kleine Rädchen im Getriebe zu funktionieren haben und denen der Rest der Bahn einfach schnuppe ist, weil man sie entmündigt hat und ihre Kompetenz nicht nutzt. Denn unerfahrene Betriebswirtschaftler und die Gier der austauschbaren Vorstände mit ihren Sprechblasen und leeren Versprechungen regieren die Bahn. Das Ergebnis ist bekannt.

 

FLIRT, 185 und 628 in Düsseldorf Hbf 

Und trotzdem fasziniert die Eisenbahn immer noch. Die Technik ist aber eine andere geworden, und sie entwickelt sich ständig weiter. Für diese jüngere Generation sind einst zehntausendfach vorhandene zweiachsige Güterwagen der 50er Jahre schon verschwundene Oldtimer wie für uns Älteren die preußischen, württembergischen, badischen oder bayerischen Wagen. Auch die InterCity-Züge der auf maximalen Verschleiß fahrenden DB Fernverkehr haben schon bis zu 45 Jahre auf dem Buckel, und bereits in wenigen Jahren dürfte der ICE 1, Baureihe 401, auf dem Schrott landen. Und sei es nur darum, den Mitbewerbern keine brauchbaren Züge zu überlassen... Auch die 111 wird es nicht mehr geben und etliche andere, noch aktuelle Lokomotiven. Gibt es sie jetzt als Modell? Nein. Vielleicht als Einzelstück. Aber nicht als Anreiz, mit 30, 35, 40 oder 45 Jahren in die fasznierende Spur 1 einzusteigen.

 

Stadler RS-2 bei der Hohenzollerischen Landesbahn

 

Gewöhnlich baut man als Modellbahner oder Modellbauer das nach, was man aus der Jugend kennt. Es ist – wie das Sammeln – ein Versuch, sich das zu erhalten, was man liebte und was einen geprägt und fasziniert hat. In dieser Hinsicht sind wir konservativ, bewahrend im besten Sinn. Auch wenn es nur begrenzt möglich ist, das Erlebte an unsere Nachkommen weiterzugeben, weil wir im besten Fall eine Art Museum und einen Rückblick auf die alte Zeit präsentieren, so haben wir selbst immerhin die Chance, anhand der detaillierten und epochengerechten Modelle und dem von uns konstruierten Umfeld das zu bewahren, was zu unserer Vergangenheit gehört. Und sei es zu unserem stillen persönlichen Vergnügen. Hobbys sind fast immer rückwärts gerichtet, weil uns das Alte wertvoller erscheint als das Neue. Denn das Neue ist alltäglich und bald nicht mehr neu, das Alte selten geworden und deshalb kostbar.

 

Touchscreen-Stellwerk von Siemens

 

Jedes Diorama, jede Anlage, jede Sammlung dokumentiert auch ein Stück von uns selbst. Unsere Sehnsüchte, unsere Träumereien, unsere Leidenschaften, unseren Ordnungs-, unseren manchmal Kleinbürgersinn. Die scheinbar heile Welt in 1:32 ist nichts Schlechtes, und ich möchte mir keinen Güterwagen auf die Anlage stellen, der von Graffiti übersäht ist und keine dunkle Unterführung bauen, die nach – Sie wissen schon – stinkt. Obwohl das die Realität ist. Ein bisschen schönen und romantisieren ist in unserer Modellwelt erlaubt. Sie soll ja das Gute und Schöne festhalten und erhalten.

 

111 mit Doppelstockwagen in Düsseldorf

 

Wenn wir die geordnete und sehr gut funktionierende Welt der Deutschen Bundesbahn stilisiert oder bis ins Detail nachbauen, ist das unsere Welt. Die der Jahrgänge von 1935 bis vielleicht 1960.

 

101er mit IC-Oldtimer in Hannover Hbf

 

Wer in den 70er Jahren aufgewachsen ist, erlebte vielleicht noch die letzte Dampflok auf einer Sonderfahrt. Wahrscheinlicher ist aber, dass seine Hausstrecke elektrifiziert – oder stillgelegt wurde. 30 Jahre später ist der Strukturwandel, hin zu Diesel- und Elektrozügen, längst abgeschlossen. Und auf vielen damals stillgelegten Strecken rollt wieder der Verkehr. Bahnhöfe sind keine Orte mehr für werdende Eisenbahnfreunde, wo man mit dem Fahrdienstleiter ins Gespräch kommen konnte und so manchen Fototipp bekam, sondern leblose, verkommene Bahnsteige mit und ohne Automaten oder auf maximalen Ertrag getrimmte Konsumtempel ohne Flair. Denn die Deutsche Bahn ist sich selbst nichts mehr wert. Ein Firmenkonglomerat mit 300 Tochterfirmen, seelenlos, unpersönlich, fast nur online und als Automat präsent. Ein Unternehmen ohne Charakter und Ausstrahlung, gemessen an den Beamtenbahnen der Bundesrepublik und der DDR.

 

Moderne Güterzugloks in Neuss Hbf 

Und doch lieben jüngere Menschen ihre Bahn, wie sie sich jetzt präsentiert. Mit einer niemals vorhersehbaren Buntheit der Fahrzeuge, kantigem und zuweilen hässlichen Design von Lokomotiven und Triebzügen, langen Güterwagen auf den europäischen Logistikpfaden, bunten internationalen Zügen. Über 200 Privatbahnen gibt es allein in Deutschland, mit bunten geleasten und gekauften Fahrzeugen – und dazwischen ein paar V 100 und 215, die wir damals nagelneu als Ablösung der Dampflok bestmöglich ignoriert und verflucht haben und die für jüngere Menschen rüstige Oldtimer sind wie manche von uns auch.

 

Lampen an S-Bahn-Zug

 

Diese jüngere Generation empfindet schon die einst stolze 103 als Oldtimer. Sie wächst mit 101ern, der 120, mit ICE und 628ern (diese Triebwagen und die Baureihe 120 kommen von Kiss) auf, mit den nur scheinbar uniformen Stadler-Flirts, den Triebwagen und Lokomotiven von Alstom, den markanten 143ern aus den Beständen der Deutschen Reichsbahn mit Doppelstockwagen aus Ost und West. Sie kennen die plumpen RS-2-Triebwagen von Stadler, die futuristischen Desiros von Siemens, die leidlich funktionierenden ICE-Notloks der Baureihe 218, die uralte V 60, den Thalys, den Taurus, Neigezüge, Rangierloks von Vossloh, den Darth Vader (Maxima) von Voith und die touristisch genutzten Schmalspurbahnen oder die hochmodernen Schmalspurzüge der Schweiz. (Die Rhätische Bahn wird überall in der Welt geliebt.)

 

Im vielfach beschworenen, aber von unserem Bundesverkehrsminister-Darsteller sträflich vernachlässigten Schienengüterverkehr bestimmen fast nur noch vierachsige Güterwagen das Bild. Bunt, kantig und individuell.

 

Rangierabteilung der NE in Düsseldorf

Immerhin: Ein paar gibt es schon. Ich werde sie in den nächsten Tagen vorstellen.

(Alle Fotos: Friedhelm Weidelich)

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Kommentar von Roland Winde |

Was für ein schöner Artikel! So klar hat mir noch keiner gemacht, warum ich dieses Hobby so gerne betreibe, und warum mich Epoche IV so gar nicht reizt (bin Jahrgang 1951). 103 ein Oldtimer? Meine Güte, ich erinnere mich noch, im Bahnhof HH-Altona die erste 103 gesehen zu haben, und trotz Ablehnung dieser "Dampflok-Killer" eine gewisse Bewunderung dieser wuchtigen 6-Achser nicht verhehlen konnte. Und nun ein Oldtimer; habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht...