Wie plant man eine Gartenbahn?

, von Friedhelm Weidelich

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Wenn das schöne Wetter nach draußen lockt, ist es vielleicht Zeit für eine Gartenbahn. Ja, aber die Voraussetzungen für eine Modellbahn im Garten müssen stimmen. Vor allem auf große Radien kommt es an.

Zu wenig Platz in der Wohnung, aber ein großes Rechteck frei im Garten? So beginnen viele Gartenbahn-Geschichten, doch nicht selten endet die mit großer Euphorie geplante Anlage draußen im optischen und betrieblichen Desaster und auf einer mit ein paar Kubikmetern Beton versiegelten Fläche. Denn viele verwechseln eine Gartenbahn mit einer vergrößerten Tischbahn nach dem Märklin-Gleisplanbuch von 1958.

 

Ein Oval, noch ein Oval und eine diagonal ansteigende Strecke, die ohne Grund die vorhandenen ebenen Strecken mit gewaltigen Brücken überquert. Dazwischen die Kirche für sechs Besucher, der beliebte Bahnhof „Kleinbach“ und gleich um die Ecke das Groß-Bw mit Drehscheibe und Ringlokschuppen für die 218 und die Schmalspurdampfloks aus aller Welt. Klar, dass auch mehrere Bahnsteigdächer die Reisenden schützen, die mit dem ICE-ähnlichen Zug anreisen und auf den Nachbargleisen eine mächtige amerikanische Dampflok und einen schönen roten Zug der Rhätischen Bahn bewundern können. Weitere Zutaten: eine Brücke über den von Seerosenblättern bedeckten Teich, an dem der 80 cm hohe graue Plastikreiher vergeblich nach Nahrung sucht; ein Leuchtturm; daneben die Talstation der Bergbahn. Das alles wird beleuchtet von einer schmiedeeisernen Gartenlaterne oder den kaltweißen LED-Funzeln mit Solarzelle. Humorvolle Zeitgenossen platzieren auch noch einen Gartenzwerg mit Schippe und Laterne an markanter Stelle, und die Liebe zur alten Bundesbahn dokumentiert eine Weichenlaterne in 1:1.

 

Das ist die „Welt der LGB“, mit schaurigen Gleisfiguren und bunten Motiven, die nur eine Partnerin ohne ästhetisches Empfinden zu schätzen weiß. Züge fahren hier, weil sie rot, grün oder blau sind und alles zu allem passt. Schnellzugwagen rollen im 90°-Winkel zum nächsten Wagen durch 60-cm-Radien, „weil kein Platz ist.“ Und weil der Besitzer stolz ist, auch einmal Bahnchef sein zu dürfen, besteht er darauf, dass er alles fahren darf, was ihm gefällt und gibt der teuren Materialsammlung aus Messing und ABS einen Namen: Rolf`s Gartenbahn, Ranzdorfer Kirchhofbahn, Kleinbacher Großbahn oder „LGB“ für Ludwigs und Gerdas Bahn oder NBB für Neustädter Bimmelbahn, K. K. St. E. B. für Kurfürstlich Kronbergische Staatseisenbahn – und so weiter. Die Namen sind frei erfunden, aber echten täuschend ähnlich.

 

Gut, das bunte Glück im Garten mit niedlichen Fahrzeugen, die jede Kurve dank 3 mm hoher Spurkränze klaglos nehmen, sei den stolzen Besitzern gegönnt. Mit dem verkleinerten Abbild einer Eisenbahn haben diese Spaßbahnen aber so viel zu tun wie ein wassergefüllter Luftballon mit einem Heißluftballon.

 

Wie plant man eine Gartenbahn in Spur 1

 

Eine Gartenbahn kann man nicht am Bildschirm planen. Das habe ich bei der Planung und beim Bau mehrerer Gartenbahnen erfahren, der zwar nicht mit Spur-1-Gleisen erfolgt ist, aber mit ebenfalls 45-mm-Gleisen und Fahrzeugen in den Maßstäben 1:32, 1:29 und 1:20,3. Die Erfahrungen sind leicht übertragbar, auch wenn die niedrigeren Spur-1-Profile und niedrigere Spurkränze den Gartenbahnbau noch etwas anspruchsvoller machen.

 

Es gibt nicht einen einzigen vernünftigen Grund, eine Gartenbahnstrecke auf einem Rechteck anzulegen und die Fläche systematisch mit Gleisen, Straßen und Gebäuden zuzupflastern. Auch wenn man zweckmäßigerweise im Kreis herumfahren will, gelten ein paar Regeln:

  • Man braucht Platz für große Radien – oder bessere Gleisplan-Ideen.
  • Den Kreis darf man nicht erkennen.
  • Die Gartenbahn muss eine Geschichte erzählen.
  • Die Gartenbahn braucht ein Motiv.
  • Die Gartenbahn sollte einen für jeden nachvollziehbaren Betrieb haben.
  • Die Gartenbahn muss sich organisch in den Garten einpassen.
  • Die Gartenbahn ist eine stark abstrahierte Modellbahn.
  • Die Gartenbahn muss wetterfest sein.

Die Planung beginnt mit einer fast schon meditativen Besichtigung Ihres Gartens. Vergessen Sie jede Art von Rechteck, 90°-Kurven und langen Geraden. Eine Bahn in der Natur besteht aus langgestreckten Ellipsen und Kurven, nicht aus geraden und gebogenen Gleisstücken. Nichts ist lächerlicher als eine 10 m lange Gerade, die nur 320 m Strecke beim Vorbild verkörpert und an der alle 200 m ein neuer Bahnhof wartet.

 

Amerikanische Gartenbahn mit Dampflok von Bachmann

Der in einem großen Doppelbogen angelegte Bahnhof dient Zugkreuzungen und wird hier von einem Zug in 1:20,3 belegt. Der Bogen setzt sich oben rechts noch einen knappen Meter fort und bietet etwa einem 4 m langen Zug Platz. Vom Rasen aus ist nur der Bahnhof zu erkennen, dahinter liegt das Dorf, das aus drei in verschiedenen Winkeln aufgestellten Häusern besteht. Links unten verschwindet die Bahn in einem künstlichen Hügel. Hinter dem Bahnhof wurde aus Betonplatten ein 120 cm langer Tunnel gebildet. Das Portal ist amerikanisch schlicht. Die angehäuften Steinbrocken und Erde formen einen Hügel, der hinten vor dem Vogellorbeer senkrecht abfällt. Durch die Bepflanzung ist der simple Tunnel gut versteckt und wirkt organisch eingebettet und wie der Fuß eines fiktiven höheren Bergs.  

 

Reale Bahnen folgten den Flüssen und Tälern, überwanden Höhenunterschiede durch lange Schleifen oder wurden in Landschaften hineingeschnitten oder durch Tunnel geführt. Wenn Sie nicht ein topfebenes Grundstück haben, sind 2 Promille eine sinnvolle Neigung für ihre Strecken. 4 Promille gehen auch, aber zu Lasten ihrer Fahrzeuge. Denn draußen sind die Züge oft länger und schwerer, aber durch Feinstaub ist auch der Verschleiß an Rädern und Getrieben höher. Zumal der Freilauf bei vielen Lokomotiven äußerst unangenehm ist, wenn ihr Zug in der Steigung stehenbleiben muss und lustig zurückrollt. Selbst wenn Sie draußen keine Formsignale zu 400 € verbaut haben.


Bögen machen eine Gartenbahn interessanter

Hier wurde eine Streckenführung gefunden, die zwischen der Steinsäule und den Pflanzen wenige Zentimeter tiefergelegt und durch den Bogen um etwa einen Meter Fahrstrecke verlängert wurde, um einen kleinen Hügel zu überwinden. Links verschwindet die Strecke zwischen den Koniferen. Ein kleiner Höhenunterschied, der Rosmarinstrauch und das kleine Bahnhofsgebäude trennen die beiden Strecken, die einen L-förmigen Hundeknochen bilden, optisch.  

 

Ständige Richtungswechsel beziehungsweise ein Betrachterwinkel, der sich wegen der kurvigen Gleise laufend ändert, täuscht mehr Fahrstrecke vor als die lange Gerade mit einem abrupten Übergang in die rechtwinklige Kurve. Kein Zug fährt kilometerweit geradeaus und biegt dann ohne triftigen Grund (ein landschaftliches Hindernis, eine Grundstückgrenze, eine Engstelle) einfach ab.

 

Schauen Sie erst einmal, ob die Strecke hinter den Bäumen und Büschen verlaufen kann, um dann in einem sanften Bogen in Richtung des Betrachters zu fahren und hinter einem Beet, einem angeschütteten Hügel oder einer Hecke für ein paar kurze Meter zu verschwinden. Überlegen Sie, ob ein Damm von 15 cm Höhenunterschiede im Grundstück ausgleichen kann oder die Steigungsstrecke verlängern könnte, die sich für die nächste Ebene brauchen. Suchen Sie wie ein Eisenbahningenieur früher einen sinnvollen Weg durch Ihren Garten. Mit der Zeit wird sich herausstellen, dass der Bahnhof in einen langen Bogen gelegt werden sollte, dass vielleicht noch Platz ist für eine Nebenbahn mit kurzen Zügen und einem kompakten Endbahnhof und dass ein kleiner künstlicher Fluss mit einem schmalen Tal zwei Strecken trennen könnte, die sonst viel zu dicht nebeneinander laufen würden.

 

Platz für große Radien?

Wenn Sie mit kurzen Märklin-Fahrzeugen und den üblichen Klauenkupplungen fahren wollen, reicht 1020 mm als Mindest(!)-Radius aus. Je enger der Radius, um so höher der Verschleiß an den Rädern durch den allgegenwärtigen Staub.

 

Ein Zug der Rhätischen Bahn im Maßstab 1:22,5 auf einer Gartenbahn

Diese Bilder zeigen, dass Bögen für eine Gartenbahn das entscheidende Gestaltungsmittel sind, um kurze Strecken zu verschleiern und den Blickwinkel des Betrachters laufend zu verändern. Jedes Fahrzeug steht in einem anderen Winkel zum Betrachter und bewegt sich nicht langweilig wie in einem Kreis mit festem Radius. Das Auge erfasst abwechselnd mehrere Wagen an verschiedenen Stellen. So wirkt die Fahrstrecke viel länger und interessanter.

 

Wenn Sie mit längeren Fahrzeuge und Originalkupplung fahren wollen, brauchen Sie Radien über 150 cm und präzise verlegte Gleise mit soliden Befestigungspunkten mindestens jeden Meter. Ein Stock mit langer Schnur kann als Zirkel dienen, um Radien abschätzen zu können. Noch besser sind entsprechende Gleisbögen, die man einfach probeweise auf den Boden legt. Die Ernüchterung setzt sekundenschnell ein. Denn selbst 3-Meter-Radien sehen mit verkürzten Schnellzugwagen recht eng aus. Auch ein größerer Garten bietet nicht immer Platz für die Eleganz großer Radien und ein schönes Erscheinungsbild der geplanten Züge.

 

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Erste Ideen

 

Wenn Sie den ersten Schock überwunden haben, wie wenig auf Ihren Ländereien machbar ist, kommt die Motivsuche. Denn die zweigleisige Rennbahn für die 01, die 194 oder die 103 mit 112 Wagen lässt sich vielleicht nicht machen. Wie wäre es dann mit einer idyllischen Nebenbahn mit einer schönen Brücke, zwei kurzen Tunneln, zwei Endbahnhöfen und einem Haltepunkt an einem spektakulären Felsen? Oder die Schmalspurbahn, die sich am erträumten Bach entlangschlängelt und in einem engen Bogen nach hinten ansteigt, um durch einen Tunnel oder Einschnitt etwas höher sich wieder dem Betrachter zu nähern und auf einer 40 cm hohen Plattform neben der Terasse zu enden? In einer Höhe, wo das Abkuppeln und Umsetzen keine Mühe macht. Oder sie ständern, wie bei einem Modultreffen, die ganze Strecke gleich in Bauchhöhe auf. In England und Neuseeland wird das gerade bei Echtdampf-Fahrern gern gemacht.

 

Vielleicht haben Sie sich aber auch für eine Art Inselbahn entschieden, mit Triebwagen auf Regel- oder Schmalspur mit ein wenig Güterverkehr. Oder Sie wählen einen Streckenabschnitt aus Sachsen, aus den Niederlanden, eine österreichische oder schweizerische Nebenstrecke. Das Hauptproblem sind dabei die fehlenden Fahrzeuge in 1:32.

 

Nächste Phase: Fahrzeuge und Motiv kombinieren

 

Gartenbahnen sind wunderbar, weil sie sich über die Jahreszeiten und das Tageslicht ständig verändern. Es macht aber wenig Freude, nach einer Nachtfahrt eine Schnecke von einem Wagen zu entfernen, die im Tunnel mitgenommenen Spinnweben oder den klebrigen Blütenstaub abzusaugen. Von verlorenen Teilen, Schrammen und Kratzern einmal abgesehen, die draußen unvermeidbar sind. In Hitze und Kälte lösen sich geklebte Verbindungen eventuell auf, Weichmacher im Kunststoff verflüchtigt sich und macht die Teile hart und spröder als Glas, Lack splittert ab. Ich hätte Bedenken, ein teures Kleinserienmodell durch die Gartenlandschaft fahren zu lassen.

 

Bleiben also die Kunststoffmodelle von Märklin und anderen Herstellern, Eigenbauten und alte Modelle, die aus irgendeinem Grund nicht mehr viel wert sind.

 

Was bleibt? Eine Nebenstrecke für Ihre kurzen Märklin-Modelle, eine ungefährliche Paradestrecke in Nierenform mit gewaltigen Radien oder die Entscheidung, es sein zu lassen oder doch was in größeren Maßstäben von LGB, Bachmann oder Aristo-Craft zu kaufen oder sich eine fernsteuerbare Echtdampf-Lok mit ein paar Schmalspurwagen zu gönnen. Bei Echtdampf brauchen Sie dann wieder ein Gleis zum Anheizen und möglichst ebene Fahrstrecken.

 

GS4 der SP von MTH in 1:32 auf einer Gartenbahn

Eine GS4 von MTH (1:32) bewegt sich hier durch einen ca. 130 cm großen Radius. Das geht, wirkt aber bei einer so langen Lok schon grenzwertig und erlaubt kein Schnellzugtempo.

 

Mehr zur Gartenbahn-Planung in weiteren Folgen. Die Bilder zeigen Bahnen mit dem 8,5 mm hohen Schienenprofil von LGB und anderen Herstellern mit Radien ab 120 cm.

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