Wie man die Schwellenangst besiegt

, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 2)

Spur-1-Gleis von Hosenträger. Foto: Friedhelm Weidelich, spur1infoFeines Hosenträger-Gleis selbst zu bauen macht viel Arbeit – aber auch viel Freude. Die Schwellenangst ist schon nach wenigen Minuten in der Werkstatt verschwunden.

Eine Schablone für die 15-m-Gleisjoche, Rippenplatten aus Kunststoff für Schwellen und Doppelschwellen, Schienenlaschen und Schrauben aus Messing, Neusilberschienen, zwei Stapel Buchenholzschwellen und eine Bauanleitung: Das ist das Rohmaterial für drei knapp 470 mm lange Gleisjoche nach alter Väter Sitte.

Der erste Arbeitsschritt ist die Bearbeitung der Schwellen. Sie sind bereits an den Stellen, wo die Rippenplatten eingesetzt werden, ausgefräst und vier Mal vorgebohrt für die Schrauben mit Schlüsselweite 1,3 mm. Echte Buchenholzschwellen werden immer noch mit Steinkohlen-Teeröl imprägniert und haben dann einen schwarzbraunen Farbton. Teer tritt aus und bildet schwarz glänzende Flecken. Mit der Zeit bleichen die Schwellen aus und werden hellgrau mit durchschimmernden Holztönen. Die weichen Holzteile lösen sich auf, die härteren bleiben stehen. Es bilden sich Risse und Sprünge, die Enden zerfasern. Manche Schwellen verbiegen sich.

Wer sich alte Gleise anschaut, bemerkt schnell, dass keine Schwelle der anderen gleicht. Ihr Zustand hängt vom Alter ab und von den Belastungen, denen sie ausgesetzt sind. Dazu kommen feine Staubschichten, der Abrieb von Bremsschuhen und Flugrost.

tl_files/bilder/Hosentraeger/_7191893.jpgWenn man ältere Gleise inspiziert, wird man die Spuren von Entgleisungen, ausgetauschte Schwellen und wahre Biotope entdecken, wo sich kleine Tannen und Fichten verrottete Schwellen als Basis gesucht haben.

tl_files/bilder/Hosentraeger/_7242236.jpgNach eher blutigen und ziemlich erfolglosen Versuchen, KM1-Schwellen mit Alterungsspuren zu versehen, ist die Arbeit mit dem Buchenholz (aus dem auch die 1:1-Schwellen gemacht werden) kein Problem. Ich habe erfahrene Modellbauer gefragt und erhielt den guten Rat, die Schwellen von Hosenträger Rail Systems in einen alten Schraubstock zu spannen.

tl_files/bilder/Hosentraeger/_7242239.jpgAlt oder unempfindlich sollte der Schraubstock sein, weil man ihm mit einer Feilenbürste zu nahe kommt, in der harte Stahldrähte stecken. Meine Feilenbürste habe ich für etwa 2 € bei Hornbach gekauft. Sie ist made in Germany von der Firma Lessmann. Man könnte auch eine Version mit kürzeren Borsten nehmen, um noch mehr „Gewalt“ ausüben zu können. Die Borsten sollen sich nicht durchbiegen, und das tun sie auch nicht.

tl_files/bilder/Hosentraeger/_7242228.jpgWie sehr man die Schwellen bearbeitet, ist Geschmackssache und hängt von den Effekten ab, die man erzielen will. Das Minimum sind leicht gebrochene Kanten bei neu aussehenden Schwellen. Alte Schwellen bearbeitet man mit Ahle, Teppichmesser, Kreissägeblatt, Kugelfräser und Feilenbürste. Mit der Ahle und ggf. einem Grabstichel lassen sich Risse und Vertiefungen in das Buchenholz drücken und das Holz etwas sprengen. Wo früher Astlöcher waren, haben sich Löcher gebildet. Die Enden sollte man bei alten Schwellen etwas zerfasern lassen. Auch schräg abgesägte Schwellen habe ich beim Vorbild gefunden.

tl_files/bilder/Hosentraeger/_7252251.jpgVersuche mit nassen Schwellen erzeugten leider nach dem Bearbeiten mit der Bürste eine sehr faserige Oberfläche, die man nur mit Stahlwolle wieder halbwegs sauber bekommt.

tl_files/bilder/Hosentraeger/_7242219.jpgDie mutwillige Beschädigung der Schwellen wird vor dem Beizen erledigt. Sonst hätte man helle Stellen, denn die Beize dringt nicht tief ins Holz ein. Ich habe wasserlösliche Beize von Clouth (CLOU) verwendet in den Tönen Nussbaum mittel 167 und schwarz 174. Dazu noch etwas alte graue Beize. Empfehlen würde ich auch Versuche mit Nussbaum hell 166 und hellgrau 161. Jeder Baumarkt (in Deutschland) dürfte die Beize anbieten, ggf. hilft der Onlineshop.

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tl_files/bilder/Hosentraeger/_7252259.jpgEinen Teil der Schwellen habe ich in einem Glas mit schwarzer Beize gebadet – nur eine Minute lang. Die anderen Schwellen wurden mit Nussbaum gebeizt. Später habe ich die braunen Schwellen kurz mit verdünntem Schwarz und Grau behandelt und die grau gewordenen Schwellen mit dünnem Braun begossen. Das zwischen Hellgrau und Beige changierende Farbgemisch alter, ausgebleichter Schwellen habe ich mit sehr dünnen Tamiya-Farben ausgemalt. Das Ergebnis (weiter unten) überzeugt mich noch nicht ganz. Graue Beize wäre wohl beim nächsten Mal mein Mittel der Wahl.

tl_files/bilder/Hosentraeger/_7252261.jpgLinks grau und schwarz gebeizte Schwellen, in der Mitte braun und dann ganz kurz schwarz gebeizte Schwellen, rechts nur braun gebeizte. Mit längerer Einwirkungszeit lassen sich dunklere Farbtöne erzielen.

Mit einem Dark Wash von MIG lassen sich Risse und Löcher dunkel ausfüllen. Wenn man will, kann man einzelne Schwellen parallel zu den Kleineisen aufbohren und die Spitzen von Zahnstochern einstecken. Das wäre dann gebrauchte Schwellen, wie sie einmal in Weichen verwendet wurden. Die Möglichkeiten sind unendlich und können auch Spannbänder an den Enden umfassen, die platzendes Holz zusammenhalten.

tl_files/bilder/Hosentraeger/_7282297.jpgFür ausgetretenen Teer auf den fast neuen Schwellen probierte ich Folgendes: Zuerst nahm ich Leinöl und betupfte damit die Schwellen unregelmäßig. Anderes Öl geht auch. Das Öl zieht ein und hinterlässt eine leicht glänzende Oberfläche. Darauf habe ich, noch bevor das Öl ganz verschwunden war, glänzend schwarze Tamiya-Farbe getupft, die dann wie Schorf auftrocknet und etwas glänzt. So sehen Schwellen aus, nachdem sie großer Hitze ausgesetzt waren.

tl_files/bilder/Hosentraeger/_7282294.jpgDie Arbeit hat mir großen Spaß gemacht. Wenn man sich nicht unter Druck setzt und sich Zeit nimmt, vergisst man dabei die Zeit. Man kann noch weiter gehen und minutiös an Rissen und zerfasernden Enden arbeiten. Mit meinem ersten Versuch bin ich jedenfalls zufrieden, und eine Steigerung ist immer noch drin. Aus der Schwellenangst ist Schwellenlust geworden, ich freue mich schon auf das nächste Paket.

Im nächsten Teil geht es um die Vorbereitung der Profile und die Montage der Schienen.

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Kommentar von Wolfram Russ |

Hallo Herr Weidelich,

Klasse gemacht! Man riecht fast das Holzschutzmittel - sogar durch den Bildschirm ;-)

Viele Grüße
W. Russ

Kommentar von Martin Graf |

Ich finde das Ergebnis schon sehr überzeugend. Kleiner Tipp: Löcher mit einem Brenner ausbrennen, das gibt einen zusätzlichen gebrauchten Look. Ich würde sehr gerne die graue Farbe nachstellen. Kannst du noch das Rezept oder genauere Produkt Angaben machen?

Antwort von Friedhelm Weidelich

Danke für den Tipp. Die grauen Schwellen wurden nur Sekunden in schwarzer Beize gebadet, mit grauer Beize kann man sich wahrscheinlich mehr Zeit dafür lassen. Die zusätzliche helle Farbe dürfte eine wasserlösliche Acrylfarbe von Tamiya gewesen sein, zum Beispiel XF-19 Sky Grey oder XF-55 Deck Tan – oder eine Mischung daraus. Ich würde es auch mit Pulver-/Pigmentfarben probieren, in Wasser oder Spiritus aufgelöst. Da kann man anschließend etwas abwischen, wenn es zu viel war.

Der Reiz liegt in den eher zufälligen Effekten. Vielleicht lässt sich auch mit Mehl, Eiweiß und schwarzer Farbe das Erscheinungsbild von geplatzem Teer auf den Schwellen darstellen.