Vierachsiger Bahnpostwagen von Wunder

, von Friedhelm Weidelich (Kommentare: 0)

tl_files/bilder/Wunder/_1190702.jpgWunder Präzisionsmodelle hat einen neuen Bahnpostwagen ausgeliefert. Das schöne Modell ist leider nicht für jeden geeignet.

Zu dem Modell des 4-b/21,6 der Deutschen Bundespost 4926 Ffm habe ich in zwei Büchern und im Internet nur ein aussagekräftiges Foto und keine Zeichnung gefunden. Ich muss mich deshalb auf die Beschreibung des Modells beschränken. Das Original wurde ab 1941 in Dienst gestellt.

Nachtrag 5.3.2014: Wie sich leider erst spät herausgestellt hat, habe ich versehentlich das Handmuster und kein Serienmodell zur Besprechung bekommen. Bei den extra kontrollierten Serienmodellen fehlten weder Schrauben noch waren Teile nicht korrekt ausgerichtet.

Das Modell des Schürzen-Bahnpostwagens ist über Puffer 715 mm lang und entspricht damit der aufgedruckten LüP 22,9 m. 2,8 Kilogramm schwer ist der ganz aus Messing gefertigte Modell mit seinen NEM-Stahlradsätzen mit 1,8 mm hohen Spurkränzen.

Die sehr detailliert gestalteten Drehgestelle (Görlitz III schwer) bilden die komplizierte Konstruktion mit Blattfedern und großen und kleinen Schraubenfedern genau nach. Die Federn arbeiten aber nicht. Für einen 1,5 mm kurzen Federweg sorgen die Schraubenfedern zwischen Rollenlagern und Blattfedern und für vertikale Beweglichkeit die Schraubenfeder am Drehzapfen. Die Stromabnahme für die Beleuchtung erfolgt über Pilzkontakte an den beiden innen gelegenen Radsätzen.

Die fein durchbrochenen Tritte behindern leider den Ausschwenkwinkel der Drehgestelle. Lager und Federn stoßen an. Bei einem echten Schienenfahrzeug kein Problem, bei einem Modell, das engste Radien bewältigen soll, dagegen schon. Der Wagen braucht Radien ab ca. 1400 mm. Wer diese Radien nicht hat, muss auf das Modell verzichten. Das ist nur konsequent, denn der Versuch, lange Fahrzeuge mit großem Aufwand für 1020 mm gangbar zu machen, ist aus meiner Sicht zwar marketingtechnisch nachvollziehbar, weil es eben Anlagenbesitzer gibt, die diese Radien verwenden oder verwenden müssen. Auf der anderen Seite kann ich mir auch keinen Truck kaufen, wenn die Garage zu klein ist. Kleine Radien sind nicht für lange Vierachser geeignet. Es sind schon genug Kompromisse notwendig, um die Modelle durch Straßenbahnradien zu quetschen.

Zwar kann man sich mit einem höher gelegten Wagenkasten und leicht weggebogene Tritte an etwas kleinere Radien heranmogeln. Wie sinnvoll das ist, muss jeder selbst entscheiden, zumal Probleme mit Überpufferungen entstehen könnten. Dass der Mindestradius auf der Website und in dem spärlichen beigelegten Blättchen nicht erwähnt wird, ist bedauerlich.

Der Wagenkasten weist eine Vielzahl von eingesetzten und in die Formen modellierten Details auf. Das beginnt bei den Anschlägen für die Endtüren, die Ösen an den Türen für Vorhängeschlösser, die Halter für die "Wagen besetzt"-Fahnen, Briefkästen, Türklinken und endet bei den geätzten Schutzgittern hinter den Scheiben.

Die Stirnseiten gefallen durch die eingesetzten schmalen Fenster, das Übergangblech und den Schaltkasten. Darunter befinden sich starre Bremsleitungen und die Dampfleitung für die Heizung, jeweils mit feinen Ventilen bestückt. Ab Werk ist das Modell mit Schraubenkupplungen ausgestattet. Getrübt wird der gute Eindruck durch jeweils vier kleine Lötwulste an den Enden zwischen Mittelteil und Türrahmen, die man im Zugverband allerdings nicht sieht.

Lackierung und Bedruckung sind einwandfrei. Das Wagenlaufschild ist leider nur aufgedruckt. Der Deckel für den Wassertank ist mit feinen Verschlüssen abgesetzt. Die Oberlichter, die zumindest noch 1957 eingebaut waren, werden durch mattsilberfarbene Folien simuliert. Viel zu groß erscheint leider der Abzug für den Kohleofen.

Wirkt der Wagen insgesamt überzeugend und gefällig, macht sich beim Blick auf die Unterseite Ernüchterung breit. Ungewöhnlich für ein Messingmodell der Preisklasse um 1000 €, wurde auf die Nachbildung der Bremsanlage verzichtet. Nur zwei schwarze Blechkästen sind an den Boden angelötet, der angedeutete Spanten hat. Vier Schraubenlöcher waren bei dem original verpackten Modell nicht mit Schrauben bestückt.

Die braune Inneneinrichtung ist von außen kaum erkennbar. Leider ließ sich der Zimo-Decoder nicht dazu überreden, die Innenbeleuchtung einzuschalten, die sich hinter einer durchgehenden mattweißen Kunststoffwanne verbirgt. Vor dem Versand des Musters funktioniert sie noch.

Soweit erkennbar, sind innen mehrere Briefsortierschränke stilisiert nachgebildet und davor schmale Tischplatten.

Streiten lässt sich sicherlich über die fehlende Bremsanlage – tatsächlich fehlte es an entsprechenden Unterlagen, was bei der dürftigen "Aktenlage" nicht verwundert. Es ist eine Frage der persönlichen "Philosophie", ob man Dinge, die man im Betrieb nicht sieht, unter dem Wagen haben möchte oder nicht.

Fazit: Das weitestgehend überzeugende Bahnpostwagen-Modell ist eine attraktive Ergänzung für die Schürzenwagen und Züge der Epochen III bis zum Anfang der Epoche IV, in der Wagen oft nicht mehr aufwendig umgezeichnet werden. Die erforderlichen Radien schränken die Einsatzmöglichkeiten auf der Modellbahn deutlich ein, sind aber dem Vorbild geschuldet. Dass hier keine konstruktiven Handstände und Überschläge veranstaltet wurden, um das lange Modell durch den 1020-mm-Radius zu zwängen, empfinde ich nicht als negativ. Die fehlende Bremsanlage dürfte mancher Messingwagen-Fan dagegen vermissen.

 

+ hoch detailliertes Messingmodell
+ aufwendig nachgebildete Drehgestelle
+ saubere Lackierung und Bedruckung
+ akzeptables bis gutes Preisleistungsverhältnis

o größere Radien erforderlich

- kleine Mängel bei Lötstellen und nicht sauber ausgerichteten Federn
- keine Bremsanlage
- Mängel bei der Endkontrolle
- stark überdimensioniertes Kamindach
- dürftige Bedienungsanleitung

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